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Samstag
21.10.2006

Die Initiative war eine Provokation - und auch so gemeint. Aktuell zur laufenden Teilrevision des Schweizer Urheberrechts-Gesetzes (URG) schickten Anfang des Monats 40 Schweizer KünstlerInnen und Kulturschaffende einen Offenen Brief zur «Kunstfreiheit» an Justizminister Blocher sowie Mitglieder der national- und ständerätlichen Kommission. Sie zeigten sich besorgt, dass die bei der Neuerung vorgesehenen Kontrollmöglichkeiten (Digital Rights Management - DRM) die freie Entwicklung des künstlerischen Schaffens behindern könnten. Der Dachverband Suisseculture und die Vewertungsgesellschaften (ProLiteris u. a.) fanden es gar nicht komisch. Die Provozierten reagierten prompt; schon zwei Tage darauf schickte Mathias Knauer, Vizepräsident von Suisseculture, einen Brief an Annette Schindler, eine der Initiantinnen von http://www.Kunstfreiheit.ch.

In diesem Brief konstatiert Knauer ironisch die späte Einmischung in die URG-Debatte und setzt sich kritisch bis polemisch mit den drei Prinzipien der «Kunstfreiheit»-Initiative auseinander. Zur geforderten «zeitgemässen Balance zwischen Schutz und Zugang» bei künstlerischen Werken schreibt Knauer: «Das Urheberrecht schützt doch die Urheber vor der gerade im digitalen Zeitalter zunehmenden Enteignung ihrer Arbeit.» Er räumt ein, «dass künstlerische Leistungen auch einen Gemeinwohl-Aspekt haben und zu den Grundvitaminen des gesellschaftlichen Lebens gehören». Dieser Aspekt werde «traditionell im Urheberrecht damit berücksichtigt, dass der Schutz des geistigen Eigentums zeitlich befristet wird».

In Knauers Brief geht es ferner um ein heikles Kernthema der Debatte, wenn er schreibt: «Freier Zugang bedeutet ja nicht `Gratis-Zugang`, d. h. Zugang ohne Entschädigung des Urhebers!» Dass man für ein Kulturprodukt etwas bezahlen muss, könne «so lange nicht als Einschränkung der Kunstfreiheit gesehen werden, als der Zugang nicht unerschwinglich wird», argumentiert Knauer. Nach Auffassung von Suisseculture seien künstlerische Techniken wie Collage, Remix usw. oder die «Aneignung kulturellen Materials» ständig und ungehindert möglich. Auch «technische Kopierschutzmassnahmen bedrohen aus unserer Sicht die Kunstfreiheit nicht» unter gewissen Voraussetzungen, so Knauer. Die Grundpositionen «Kunstfreiheit» gegenüber «angemessener Entschädigung» stehen sich in diesem Streit diametral gegenüber. Immerhin teilen inzwischen 450 Künstlerinnen und Kulturschaffende die Sorge der Initianten. Suisseculture befürchtet dagegen, dass sie «damit am Ast sägen, auf dem sie selber sitzen». Die Debatte ging am Mittwochabend beim Podium an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich (HGKZ) weiter. - Siehe auch: Podium Kunstfreiheit in Zürich: «Urheberrecht für die Mottenkiste?» und Erfolgreicher Aufruf gegen Revision des Urheberrechts