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Mittwoch
04.03.2009

Immer mehr UBS-Kunden verlieren ihr Vertrauen in die Grossbank. Dies sei zu einem grossen Teil auf eine unglaubwürdige Kommunikation zurückzuführen, sagt Laurent Carrel, Experte für Leadership und Krisenkommunikation. Er hofft, dass die neue UBS-Spitze eine Wende herbeiführt.

«Krisenkommunikation ist Chefsache. Gerade wenn es dem Unternehmen schlecht geht und es sich in einer Vertrauenskrise befindet, muss der oberste Chef zeigen, dass er Verantwortung für das Ganze übernimmt», sagte Carrel im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA.

Für eine wie vom neuen Chef Oswald Grübel angekündigte offene und aufrichtige Kommunikation ohne Beschönigungen sei es daher «höchste Zeit». Die bisherige Führungsriege habe die Kommunikations-Komponente in ihrer Krisenarbeit völlig vernachlässigt.

Carrel nahm als Kleinaktionär an der ausserordentlichen Generalversammlung vom Februar 2008 teil: «Diese Veranstaltung wird in die Firmengeschichte eingehen: als die verpasste Chance. Peinlich, wie dort mit den Aktionären kommuniziert wurde.» Der damalige Verwaltungsratspräsident Marcel Ospel habe beispielsweise im Zusammenhang mit der von Banken verursachten US-Immobilienkrise von «Verwerfungen am US-Markt» gesprochen und die UBS «quasi als Opfer» dargestellt. Zudem habe er jegliches Einfühlungsvermögen gegenüber den Aktionären vermissen lassen.

Die Situation, in welcher sich die Bank befinde, sei verfahren und daher bestimmt nicht einfach, räumt Carrel ein. Trotzdem: «Einige ihrer Probleme hat die Bank selbst verschuldet. Ein wenig mehr Ehrlichkeit und Selbstkritik wäre daher von Anfang an nötig und angebracht gewesen. Hier muss Grübel dezidiert Gegensteuer geben.»

Carrel vermisste bisher insbesondere eine glaubwürdige Vision. Die UBS müsse sich zu Werten verpflichten, welche in Zukunft wegleitend sein sollen. «Dazu gehört die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und das Vertrauensverhältnis zu den Kunden wiederherzustellen. Schliesslich ist das Geld der UBS nur anvertraut», sagt Carrel.

Er führt diesen Mangel auf «absolut fehlende Leadership in der Krise» zurück. «Bei Herrn Ospel war das Führungsproblem bereits evident. Doch diese grossspurige Arroganz schwingt bis heute mit. Der abtretende UBS-Präsident Peter Kurer wirkt auf mich persönlich nicht glaubwürdig», sagt Carrel weiter.

Unglaubwürdig mache sich die Bank auch durch ihre «Kommunikation in Häppchen»: «Die UBS kann nicht der Schweizer Öffentlichkeit erzählen, dass es aufwärts gehe, und dann liest man Tage später in den Zeitungen, dass die Bank in den USA anerkennt, dass sie an betrügerischen Machenschaften zur Erleichterung von Steuerflucht beteiligt war», sagt Carrel.

Er kritisiert scharf: «Wenn man für sich in Anspruch nimmt, ein globales Unternehmen zu sein, muss man für das Ganze hinstehen. Aber jedes Mal, wenn die UBS Optimismus verkündet, kommt kurze Zeit später eine neue Hiobsbotschaft. So baut man kein Vertrauen auf. Man sieht ja, wie die Kundengelder abgenommen haben. Dies spricht Bände.»

Die immer neuen Hiobsbotschaften der UBS hinterliessen zudem den Eindruck, dass das Unternehmen die Tragweite der Krise nicht überblicke. «Es ist zu hoffen, dass sich auch dies mit Herrn Grübel ändert. Es wäre an der Zeit, proaktiv zu handeln, und nicht immer nur zu reagieren. Der Druck auf die UBS wird noch zunehmen.»

Laurent Carrel war von 1996 bis 2006 Chef der Strategischen Führungsausbildung im Bund. Der 64-jährige Bieler ist Dozent für Leadership in Krisen an der Universität Bern. Der Rechtsanwalt veröffentlichte zu diesem Thema unter anderem ein Buch. Seine Firma betreut Mandate in den Bereichen Krisenmanagement-Training und Leadership-Coaching.