In Küsnacht beginnt in dieser Woche ein neues Medienkapitel. Die Dorfzeitung wird ab sofort aus der Nachbargemeinde Zollikon angeliefert. Und das letzte Wort über den Inhalt hat der Gemeinderat.
Der 7. August ist ein einschneidendes Datum. Im schönen Küsnacht an der sogenannten Goldküste am Zürichsee erscheint am Donnerstag erstmals der «Küsnachter Bote» als offizielle Dorfpublikation.
Es ist das vorläufig letzte Kapitel in einer Provinzposse, die überregionale Wogen warf. Bisher hiess das amtliche Organ «Küsnachter». Herausgegeben wurde es vom Lokalinfo-Verlag, der zum Autoimporteur Emil Frey AG gehört. Redaktionell verantwortlich war die erfahrene Lokaljournalistin Manuela Moser.
Doch weil Moser ihren Job mit journalistischer Konsequenz erfüllte, trat sie den Lokalpolitikern gelegentlich auf die Füsse, unter anderen auch dem Gemeindepräsidenten Markus Ernst von der FDP.
Dieser reagierte pikiert. Gemäss Recherchen des Klein Reports empfing der Gemeindepräsident den Delegierten des Verwaltungsrates der Lokalinfo AG, Beat Rechsteiner, am 19. November 2024 zu einer «Audienz».
Grund des Gesprächs war eigentlich das anstehende Submissionsverfahren für die amtlichen Mitteilungen in Küsnacht. Beat Rechsteiner hatte dies seit Monaten verlangt, denn der Vertrag war per 1. Januar 2024 ausgelaufen.
Von da an bezahlte die Gemeinde der Lokalinfo AG nur noch 109'000 Franken für die amtlichen Publikationen. Bei diesem Gespräch ging es aber weniger um den behördlichen Auftrag für die Zeitung, sondern um die Personalie der Chefredaktorin.
Dies zeigt ein Mail, das dem Klein Report vorliegt. Rechsteiner informierte danach die Chefredaktorin Manuela Moser über den Inhalt der Unterredung. «Herr Ernst und gemäss seiner Aussage der gesamte Gemeinderat beurteilen das Verhältnis zwischen der Gemeinde und der 'Küsnachter'-Redaktion als sehr schlecht (ich würde sagen als zerrüttet)».
Der Delegierte des Verwaltungsrates der Lokalinfo AG und ehemalige CEO der «Schaffhauser Nachrichten», Beat Rechsteiner, folgerte daraus, «dass aus Sicht der Gemeinde das Tischtuch zerschnitten ist».
Der Gemeindepräsident möge «auch nicht mehr nach Zwischenfällen bei uns vorstellig werden», so Rechsteiner. Er habe resigniert und finde, «das bringe ja ohnehin keine Verbesserungen».
Publizistisch pikant: Gemäss dem Küsnachter Gemeindepräsidenten sei eigentlich in so gut wie jeder Ausgabe etwas drin, das ihn und die Leute im Gemeindehaus stark verärgert.
Für die Journalistin Manuela Moser, die in der Bevölkerung breiten Sukkurs genoss und bei einer öffentlichen Umfrage im Sommer 2023 sehr gute Noten erhalten hatte, zeitigte das Gespräch gravierende Konsequenzen.
Anfang Dezember 2024 wurde sie zum Personalchef der Emil Frey AG zitiert: Dort musste sie anhören, dass «Kunde Ernst» mit ihr unzufrieden sei.
Daraufhin erklärte Moser dem Personalchef der Grossgarage, dass sie keine Autos verkaufe. Ihre «Kunden» seien die Leserinnen und Leser.
Doch die Entscheidung war zu diesem Zeitpunkt schon gefallen. Am 8. Januar 2025 folgte die Vollzugsmeldung. Moser wurde zum Austausch mit Rechsteiner und Verlagschefin Liliane Müggenburg ins Büro des Personalchefs geladen. Mosers direkter Vorgesetzter Pascal Turin war nicht vor Ort. Moser wurde die sofortige Freistellung mitgeteilt.
Die Submissionsausschreibung für die amtlichen Mitteilung erfolgte wenig später – obwohl eine Bürgergruppe in Küsnacht gefordert hatte, dass dieses sofort gestoppt und die Rolle des Gemeinderates zuerst geklärt werden solle.
Die Redaktionsleitung des «Küsnachter» übernahm derweil ein früherer Lokalinfo-Praktikant. Der Ton der Zeitung änderte sich im Sinne der Gemeinde. Kritische Stimmen sprechen von «Hofberichterstattung».
Doch dies tat nichts mehr zur Sache. Der Auftrag der amtlichen Meldungen wurde der Fröhlich Info AG in Zollikon, der Herausgeberin des «Zolliker Zumiker Boten», erteilt. Der «Küsnachter» wurde per 24. Juli 2025 eingestellt.
Wie aus Unterlagen hervorgeht, ist diese bereit den Gemeindeauftrag zu deutlich günstigeren Konditionen zu erfüllen. Für 109'000 Franken statt 200'000 Franken.
Gemäss Markus Ernst sei dies der Hauptgrund, weshalb im Submissionsverfahren die Fröhlich Info AG zum Zug kam, wie er auf Anfrage des Klein Reports mitteilte. Der Gemeindepräsident schreibt: «Die Zufriedenheit der einzelnen Gemeinderatsmitglieder mit dem 'Küsnachter' hat keinen Zusammenhang mit der Vergabe an den 'Küsnachter Boten'; diese erfolgte aufgrund der am besten erfüllten Kriterien der Submission, wobei die grosse Preisdifferenz den Ausschlag gab.»
Auf entsprechende Fragen des Klein Reports, legt Markus Ernst wert darauf, dass der Vertrag mit dem «Küsnachter Boten» festhalte, dass die Pressefreiheit des «Küsnachter Boten» gewahrt bleibt. Es sei somit der Redaktion überlassen, wie und worüber sie berichtet.
Auch weist Ernst den Vorwurf von sich, er habe in der Vergangenheit in die Redaktionsarbeit eingegriffen. In seinem Schreiben an den Klein Report heisst es: «Der Gemeinderat hat die Arbeit der Redaktion in der Vergangenheit nicht «kontrolliert» und wird dies auch in Zukunft nicht tun».
Ernst weiter: «Falls einzelne Berichterstattungen Grund zu kritischen Rückmeldungen geben sollten, beispielsweise bei fehlender Ausgewogenheit, bei mangelnder Möglichkeit, zu schweren Vorwürfen Stellung zu beziehen oder bei der Missachtung von Sperrfristen, wird dies jedoch im Einzelfall thematisiert».
Dies sei Teil des Tagesgeschäftes in der Kommunikation und werde bei allen Medien bemängelt, wenn es vorkomme.
Allerding gibt es einen kleinen aber feinen Unterschied. Der Redaktion des «Küsnachter Bote» wird künftig ein Beirat zur Seite gestellt. Und dort hat der Gemeinderat eine nicht zu unterschätzende Stimme.