Der Aufruhr in der islamischen Welt um die ursprünglich dänischen Mohammed-Karikaturen nimmt immer seltsamere Formen an. Am Montag haben pakistanische Ärzte beschlossen, Medikamente unter anderem aus der Schweiz ab sofort zu boykottieren. Der Boykott richtet sich ausserdem gegen Dänemark, Norwegen, Deutschland und Frankreich, teilte der Generalsekretär der pakistanischen Ärzte-Vereinigung in der Provinz Punjab, Shahid Rao, mit. Die Entscheidung sei einstimmig getroffen worden, fügte Rao hinzu. Statt der Medikamente aus Europa sollten «alternative» Heilmittel eingesetzt werden, sagte Rao. Dies werde so lange gelten, bis «aus diesen Ländern eine öffentliche Entschuldigung kommt». Apotheker hätten bereits zugesagt, dass sie den Verkauf der europäischen Präparate einstellten.
In der Zwischenzeit haben verschiedene Politiker, aber auch religiöse Führer zur Mässigung aufgerufen. Der spanische Ministerpräsident José Luis Zapatero und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogar haben einen gemeinsamen Appell veröffentlich: «Wir werden alle Verlierer sein, wenn es uns nicht gelingt, die Situation sofort zu entschärfen, die in ihrem Sog nur einen Pfad von Misstrauen und Missverständnis zwischen beiden Seiten hinterlassen kann», schreiben sie in einem am Montag veröffentlichten Artikel. Und der französische Aussenminister Philippe Douste-Blazy sagte im Radio: «Beruhigen wir die Gemüter. Es reicht mit dem Hass und der Intoleranz.»
Die aufgebrachten Massen zu beruhigen versuchte auch der muslimische Religionsgelehrte Scheich Jussef el Karadaui. Der Ägypter verurteilte gegenüber dem Fernsehsender El Dschasira die gewaltsamen Proteste. Stattdessen sollten die Gläubigen Produkte aus Ländern boykottieren, in denen die Zeichnungen gedruckt wurden, sagte der dank seiner TV-Auftritte in der arabischen Welt populäre Geistliche. Zerstörung und Brandstiftung liessen sich nicht mit der muslimischen Moral vereinbaren.
Der Karikaturenstreit bekommt überdies eine neue Dimension: Obwohl sich die amerikanische Regierung der Kritik an den Karikaturen angeschlossen hatte und keine US-Zeitung die Bilder gedruckt hatte, wurden jetzt auch Einrichtungen der USA Ziel der Attacken der demonstrierenden Massen. - Mehr dazu: Wütende Muslime zünden Botschaften wegen Mohammed-Karikaturen an und Kofi Annan: Muslime sollten Streit um Karikaturen hinter sich lassen
Montag
06.02.2006