Medienschaffende zeigen sich in diesen Tagen wieder kämpferisch. Aber kämpfen sie genug? Es gibt mehr Zensur, als wir meinen. Für den Klein Report kommentiert Roger Blum.
Der 3. Mai, der Tag der Pressefreiheit, gibt jeweils Anlass, der getöteten oder eingekerkerten Medienschaffenden in Kriegs- und Krisengebieten zu gedenken, auch dieses Jahr wieder. In den Ranglisten, die Reporter ohne Grenzen regelmässig veröffentlicht, finden sich Länder wie China, Syrien, Iran, Turkmenistan oder Nordkorea auf den hintersten Plätzen, während mittel- und nordeuropäische Länder jeweils gut bis sehr gut abschneiden. In unseren Breitengraden scheint die Pressefreiheit vollends gewährleistet zu sein. Stimmt das?
In Deutschland griffen Journalisten zum Mittel des Warnstreiks, weil die Verleger den Jungredaktoren bloss noch schäbige Löhne zahlen wollen. Journalistinnen und Journalisten, denen unwürdige Rahmenbedingungen zugemutet werden, sind nicht wirklich frei, und wer nicht frei ist, kann die Pressefreiheit nicht leben.
In der Schweiz demonstrierten Tessiner Journalisten am Tag, als das neu gewählte Kantonsparlament zusammentrat, für Qualitätsjournalismus. «Senza giornalisti non c`è informazione» machten sie dem Parlament klar: Ohne Journalisten gibt es keine Information. Die drei Verbände atg (Impressum), SSM und Syndicom hatten sich auf ein «Manifest für einen kompetenten, unabhängigen und glaubwürdigen Journalismus» geeinigt, das nicht nur Forderungen stellt, sondern auch selbstkritische Feststellungen macht. Die Tessiner ergänzen und aktualisieren damit die Charta des Vereins «Qualität im Journalismus». Sie schreiben den berufsethischen Kodex fort. Und sie heben sich wohltuend ab von jenen Verlegern, die feststellten, die Medien hätten gar kein Qualitätsproblem.
Journalisten, die so manifestieren, setzen sich kämpferisch für die Pressefreiheit ein. Aber sie müssten auch dadurch kämpfen, dass sie Empörendes publizieren und sich jeglicher Zensur widersetzen. «Pressefreiheit bedeutet auch Schutz vor unerwünschter Einflussnahme, egal von wem», sagte Michael Konken, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV). Das ist richtig. Durch ihr eigenes Verhalten können Medienschaffende dazu beitragen, dass es diesen Schutz gibt.
Sie könnten in Deutschland trotz Drohbriefen von Anwälten publizieren, dass Thilo Sarrazins Sohn von Hartz IV lebt und dass der Vater die Berichterstattung darüber rechtlich unterdrücken will. Sie könnten trotz Anwaltsdrohungen berichten, dass die Diözese Regensburg die Berichterstattung über Missbrauchsfälle unterbinden will. Sie könnten über die eigenen Warnstreiks und über ihre Forderungen berichten. Sie könnten in der Schweiz den Stellenabbau und den Kostendruck der eigenen Medienhäuser thematisieren. Sie könnten zeigen, wie die Behörden durch langwierige Verfahren das Öffentlichkeitsgesetz unterlaufen. Sie könnten öffentlich machen, welche Firmen, welche Prominenten, welche Anwälte Druck ausüben, um Berichterstattungen zu verhindern.
Solange sie das nicht tun, spielen sie der Zensur in die Hand. Solange sie das nicht tun, sind sie nicht kämpferisch genug.