Content:

Dienstag
19.12.2006

Pünktlich um 16.15 Uhr betraten die Herren des Axel Springer-Verlages und der Jean Frey AG den Ballsaal I im gediegenen Hotel Park Hyatt in Zürich. Weit vorne reihte sich Tito Tettamanti ein, nonchalant mit der «Financial Times» unter den Arm geklemmt: Er war es auch, der den Deal eingefädelt hatte und nun mit dem glücklichen Verkauf der Jean Frey AG Kasse machen konnte («Ich bin Kapitalist»). Die Stimmung der Auftretenden erinnerte an ein amüsantes Familientreffen; keine Spur von kühler Ambiance, wie dies oft bei Firmenübernahmen der Fall ist.

An dem Vorstandsvorsitzenden des Berliner Axel Springer-Verlages, Mathias Döpfner, war es den Rede-Reigen zu eröffnen. Er skizzierte das Engagement seines Unternehmens in der Schweiz; seit 1999 besitzt man die Verlagsgruppe «HandelsZeitung» in Zürich. Diese arbeite sehr erfolgreich und so habe man es gewagt, einen weiteren Schritt zu tun. «Als ich Herrn Tettamanti zum ersten Mal sah, wusste ich, dass wir bald etwas zusammen unternehmen werden», erzählte Döpfner aus dem Nähkästchen der Hochfinanz der (nur zum Teil) staunenden Journalistenrunde. Und jetzt habe man die «Perlen der Schweizer Zeitschriftenlandschaft» erwerben können.

Der Springer-Chef fand nur lobende Worte über den Marktführerstatus, wie er sagte, des «Beobachters». Das sei eine «grosse Marke mit viel Potenzial»; im Übrigen sei der Springer-Verlag ebenfalls im TV- und Wirtschaftszeitschriftengeschäft dabei. «Wir wollen volles Wachstum und neue Geschäftsfelder, das ist unsere Vorwärtsstrategie», erklärte Mathias Döpfner weiter.

Tito Tettamanti startete mit dem fulminanten Satz: «Die Übung ist geglückt.» Vor fünf Jahren seien einige Investoren angetreten, «als Bürger», wie er sagte, um den angeschlagenen «traditionsreichen Verlag zu retten». Die Verluste hätten damals 10 Millionen Franken ein Jahr zuvor erreicht. Seine Truppe habe bereits nach einem Jahr «schwarze Zahlen» geschrieben, meinte der unternehmungsfreudige Raider aus dem Tessin schmunzelnd. Später habe die Jean Frey AG immerhin 7 bis 10 Millionen Gewinn erwirtschaftet. «Ich verstehe nichts von Verlagen, aber von einem Turnaround. Wissen Sie, das war einer meiner besten Turnarounds.»

Dann fand er auch viel Lob für den scheidenden CEO Filippo Leutenegger: «Er hat den Verleger und Unternehmer gespielt.» Da wusste man nicht genau, ob diese Version eine sprachliche Problematik des charmant Deutsch parlierenden Tessiners war oder den Tatbestand von Leuteneggers Auftritt im Zürcher Verlagshaus erfüllte. Dann erläuterte Tettamanti sein Sanierungskonzept in vier Phasen und schwärmte über Roger Köppels «Weltwoche», die ihren «liberalen Kampf gegen die Macht und Mächtigen» führe. «Und auch gegen grosse Verlage».

Er sei für die Vielfalt und gegen Einfalt, gegen den journalistischen «Einheitsbrei», sinnierte Tettamanti. Deshalb habe man die Jean Frey AG den zwei Schweizer Verlagshäusern Ringier und Tamedia nicht verkaufen wollen, erläuterte er seine ganz eigene - wahrscheinlich durch finanztechnische Aspekte unterlegte - Logik. Lächelnd und mit herzlichem Ton schloss der sonst kühle Rechner aus dem Süden: «Das ist die Übung». Eine Formulierung, die vor allem Tessiner Offiziere in früheren Zeiten oft gebrauchten, wenn sie sich mit Deutschschweizer Rekruten herumschlagen mussten.

Dann griffen die Journalisten mit Fragen in die friedliche Atmosphäre der Medienkonferenz ein. Warum Filippo Leutenegger gehen müsse, wenn er so gelobt werde, wollte der Mann von «Le Matin» wissen. Darauf konterte Tettamanti geschickt: Leutenegger habe eine eigene Firma und sei ein aktiver Politiker. Der angesprochene CEO seinerseits meinte im besten Politikerdeutsch: «Es war eine intensive Zeit, diese fünf Jahre, aber auch eine gute Zeit». Dem fügte Döpfner sofort an, dass in diesem Fall eine «einvernehmliche und gute Lösung» gefunden worden sei. Gegenüber dem Klein Report bestätigte Leutenegger, dass er im kommenden Jahr ein Medienprojekt anpacken werde. Da kann man nur hoffen, dass kein Raider dabei ist, sonst kommt der Mann nie zum Arbeiten.

Die obligaten Fragen der Wirtschafts- und Medienjournalisten nach Gewinn- und Umsatzzielen betreffend der Springer eigenen Handelszeitungs-Gruppe wurden von Ralph Büchi, dem künftigen operativen Chef beider Häuser, (galant) nicht beantwortet, jedoch viel über das neue Publikationen-Portfolio geschwärmt. Tettamanti bezeichnete sich als «überzeugter Kapitalist» und wollte keine Angaben über seinen Gewinn machen. Dabei entfiel ihm die Feststellung, dass er in seinem Leben «schon bessere Geschäfte» getätigt habe. Die Meldung ein paar Stunden früher, dass sich die neuseeländische Rank Gruppe in den Übernahmekampf um den Verpackungskonzern SIG eingeschaltet habe und 370 Franken pro Aktie biete, liess ihn fast vom Stuhl hüpfen. Man muss wissen, dass er bereits der mitbietenden Elopak-Muttergesellschaft FERD/mit CVC sein Aktienpaket angedient hat. Deren Offerte liegt bei 325 Franken, oder 350 Franken nach detaillierteren Buchprüfungen.

Unnötigerweise outete sich Mathias Döpfner dann auch flugs als Kapitalist und gab friedlich weitere Erläuterungen ab. So erfuhr man, dass Roger Köppel nun neben dem hundertprozentigen Besitz der Aktiengesellschaft offenbar auch die Verlagsrechte des Titels erhalten hat. Da fragt sich natürlich auch ein «Marktwirtschaftler», wie er dies finanzieren kann. Bei der «Weltwoche»-Übernahme durch Köppel hiess es noch, die Titelrechte lägen weiterhin bei Jean Frey; denn diese seien rund 10 Millionen Franken wert, sagte damals der JF-VR-Präsident Martin Wagner. Fazit dieser Medien-«Übung» im mondänen Hotel Park Hyatt ist: Selten so vergnügte Geschäftsleute gesehen. Und wie sagte Tettamanti über den journalistischen Einheitsbrei: «Man muss manchmal auch frech sein.» Ach! Der Klein Report meint: Raider raus, Verleger rein, Deckel drauf. Übung beendet!