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Mittwoch
18.01.2012

Der Presserat kann keinen Verstoss darin erkennen, dass «Der Landbote» den Schriftsteller Nicolas Lindt nach einer umstrittenen Kolumne abgesetzt hat. In der Kolumne vom 18. Juni 2011 hatte der Autor eingangs geschildert, wie ein Hund, dessen Halter «Freunde» vom «anderen Ende des Kantons» seien, ein Reh angreifen wollte, was zu einer Anzeige führte.

Der Vierbeiner Xenia gelte nun als «böser Hund. Und das angegriffene Reh ist ein armes Reh. Warum ist aber der Jäger (...) kein böser Jäger? (...) Jäger sind im Grunde Serienkiller, weil sie vorsätzlich und geplant auf jeder Jagd einen Mord begehen», schrieb Lindt im weiteren Verlauf der Kolumne. Zudem beschrieb er Schlachthöfe mit folgenden Worten: «Tag für Tag, Stunde für Stunde findet hinter undurchdringlichen Mauern ein Massenmord statt, der keinen Vergleich hat.»

Die Kolumne löste wenig überraschend zahlreiche Reaktionen aus, führte aber nicht etwa wegen der radikalen Aussagen zur Absetzung des Kolumnisten. Als die Redaktion einen Text von Christian Jacques, dem Vizepräsidenten von Jagd Zürich, unter dem Titel «Jäger sind keine Tiermörder» als Entgegnung auf die Kolumne der Vorwoche veröffentlichte, hielt sie am Ende der Kolumne fest: «Christian Jacques hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass der der Kolumne zugrunde liegende Sachverhalt in wesentlichen Punkten nicht korrekt wiedergegeben worden ist. Unsere Abklärungen haben dies bedauerlicherweise bestätigt.»

In Wahrheit hatte nämlich Lindt selber mit seinem Hund das Walderlebnis. Chefredaktorin Colette Gradwohl kam deshalb zum Schluss, dass unter den gegebenen Umständen das für eine weitere Zusammenarbeit notwendige Vertrauen gestört sei. Ein Entscheid, welcher der geschasste Kolumnist vor dem Presserat anfocht. Der Beschwerdeführer behauptete, der Entscheid, seine Kolumne bereits nach der dritten Ausgabe abzusetzen, beruhe nicht auf sachlichen, journalistischen Gründen. Vielmehr sei die Chefredaktorin unter dem Druck der Jägerschaft eingeknickt.

Der Presserat war indes anderer Ansicht und hielt am Dienstag fest: «Die Wahrung der Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten (Ziffern 2 und 9 der `Erklärung`) ist eine der zentralen berufsethischen Pflichten. Medienschaffende, die wegen persönlicher Beziehungen oder Interessen bei einem Thema befangen sind, sollten bei `grosser Nähe` in den Ausstand treten, oder - wenn das Mass der persönlichen Betroffenheit eine Bearbeitung nicht grundsätzlich ausschliesst - zumindest gegenüber der Leserschaft Transparenz herstellen», teilte er am Dienstag mit. Die von Colette Gradwohl angeführten journalistischen Gründe für die Beendigung der Zusammenarbeit mit Nicolas Lindt seien für den Presserat plausibel.