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Mittwoch
09.02.2011

Mehr Relevanz und Sachlichkeit, weniger «Knalleffekte» wünschte sich der neue Radio- und Fernsehdirektor Rudolf Matter in der «NZZ am Sonntag» vom 9. Oktober 2010. So weit, so gut, findet die Politologin Regula Stämpfli, die die «Arena» für den Klein Report analysiert hat.

Rudolf Matter nahm für die Wahrung des Service public sogar in Kauf, dass die Quoten der «Arena» allenfalls sinken würden. Nun, die Quoten der «Arena» sind - wenn wir den medialen Nachhall der bisherigen fünf Sendungen unter der Moderation von Sonja Hasler betrachten - tatsächlich in den Keller gesunken. Die «Arena» ist schlicht kein Thema mehr. Selbst die bemerkenswerte Tatsache, dass Ueli Maurer in der «Arena» die offizielle Haltung des Bundesrats vertrat (statt der für das entsprechende Dossier verantwortlichen Justizministerin) gab kaum politmedialen Diskussionsstoff.

Dass hier trotzdem auf die Struktur der neuen «Arena» eingegangen wird, liegt daran, dass sich die «Arena» unter Sonja Hasler in einen informatorischen Partikeljournalismus verwandelt - mehr Medienzynismus geht nicht. Gehen wir mal durch die bisherigen Sendungen. Die erste Frage an die neue Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey am 7. Januar 2011 lautete: «Wie haben Sie Silvester gefeiert?» Klar doch. Aus Interviewtechniken wissen wir, dass die Einstiegsfrage den Zuschauer oder die Leserin mit etwas Leichtem einstimmen soll. Trotzdem darf die Relevanz des zwei Minuten und 35 Sekunden dauernden Einstiegsgeplänkels darüber, wie die Moderatorin und die Bundespräsidentin ihren Silvester verbracht haben, zumindest belächelt werden. Technisch war dies richtig, relevant indessen nicht.

Eine Woche später stand das Thema «Wahl ins Stöckli» im Fokus. Gemeint waren die bernischen Ersatzwahlen für Simonetta Sommaruga. Sonja Hasler beginnt wie eine Fussballkommentatorin: «Wahljahr und erster Wahlkrimi», fährt weiter mit einem einminütigen Werbespot: «Weshalb sollten Sie gewählt werden», Gong inklusive. Jetzt war spätestens der Zeitpunkt gekommen, wo man sich Reto Brennwald mit seiner präzisen politischen und thematischen Einleitung zur Diskussionssendung innigst zurückwünschte.

Am 21. Januar 2011 ging das Beliebigkeitstraining weiter. Zur Diskussion stand die Initiative gegen Waffengewalt. «Der Bundesrat und das Parlament, muss ich noch sagen, sind gegen die Initiative», beginnt die sitzende Moderatorin. «Wie viel Waffen haben Sie persönlich zu Hause?», zieht Sonja Hasler nach. Diese Art entpolitisierten Geschwätzes zieht sich weiter in der Frage: «Warum ist eigentlich der Bundesrat dagegen?»

Die Personalisierung politischer Zusammenhänge verstärkt die Vereinfachung politischer Inhalte. Nicht der Bundesrat als handelnder Akteur ist gegen die Initiative, sondern die politische Mehrheit der Regierung und des Parlaments haben sich gegen die Initiative ausgesprochen. Zugegeben, dies mag für nicht politologisch versierte Zeitgenossinnen ein Feinunterschied sein, hat bei Wiederholung jedoch eine Pauschalisierung zur Folge, die sich in der grassierenden Politikverdrossenheit («Die da oben machen eh, was sie wollen») manifestiert. Entscheidender wäre die Einstiegsfrage gewesen: «Welche Argumente führen Regierung und Parlament gegen die Initiative an?»

Dann hätte sich Bundesrat Ueli Maurer nicht auf Allgemeinplätze - wie «im Strassenverkehr verbietet man ja auch nicht alle Autos» - zurückziehen können, sondern hätte Punkt für Punkt auf die Vorlage eingehen müssen. Was Ueli Maurer während der Sendung nicht einmal tat. Statt einer sachlichen Auseinandersetzung folgte die anschliessende Diskussion einer ideologisch-oberflächlichen Positionierung. Selbst bei der Behauptung von Ueli Maurer, dass die absolut grosse Mehrheit mit ihrer Waffe sorgfältig umgehe (was ist die sachliche Basis einer solchen Behauptung?), wurde nicht nachgefragt.

Am 28. Januar 2011 war der SVP-Nationalrat Hans Fehr in die «Arena» eingeladen. Hans Fehr durfte zu seiner Prügelattacke in der Vorwoche Stellung nehmen («Gewalt statt Dialog»). Erinnern wir uns: Die «Arena» ist neben «Club» und «Rundschau» eines der wenigen politischen Diskussionsgefässe, welche der Service public zur Verfügung stellt. Am 28. Januar begannen in Ägypten die für die Weltpolitik bestimmenden Aufstände des demonstrierenden Volkes gegen seinen langjährigen Herrscher Mubarak. Ausser in der «Rundschau» vom 2. Februar 2011 fand Ägypten, mit Ausnahme der normalen tagespolitischen Berichte, im Service public nicht statt. Die «Arena»-Redaktion leistete sich den Luxus, Weltpolitik zugunsten einer populistisch aufgeheizten Prügelattacke zu vernachlässigen. Ägypten brannte auch noch eine Woche später, doch die «Arena»-Redaktion lud am 4. Februar 2011 zu einer Sendung anlässlich des 40-jährigen Jubiläums zum Frauenstimmrecht in der Schweiz ein. Der Titel meinte salopp: «Gleichstellung - alles paletti? Frauen reden über Männer. Männer reden über Frauen». Das Sendekonzept teilte die Frauen und Männer in zeitlich aufeinanderfolgende, geschlechtersegregierte Runden. Im Ring stand u. a. René Kuhn, ein Mann aus Luzern, der schon am 17. Dezember 2010 von seiner Heimatpartei SVP aufgrund seiner antifeministischen Hetzerei (sic!) mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen wurde. Doch der Extremist bekam in der «Arena» nicht nur viel räumliche Präsenz (sinnbildlich zunächst auf dem falschen Platz), sondern auch viel Redezeit. Dies alles in einer der wichtigsten politischen Fernsehsendungen dieses Landes.

Dies wirkte so, als ob in den USA, 60 Jahre nach der Aufhebung der Rassentrennung, eine führende TV-Sendung das Thema «War es eigentlich richtig, den Schwarzen das Wahlrecht überhaupt zu erteilen?» initiiert hätte. Platziert wären ein Tisch mit ausschliesslich schwarzen und einer mit ausschliesslich weissen Menschen gewesen, die über die Demokratiebefähigung der eigenen oder der anderen Hautfarbe diskutiert hätten. Besondere Attraktion einer solchen imaginären Sendung wäre die Einladung eines Ku-Klux-Klan-Anhängers am weissen Tisch gewesen. Selbstverständlich wäre eine solche US-amerikanische Sendung nie konzipiert oder gar ausgestrahlt worden.

Doch die «Arena»-Redaktion lädt René Kuhn, den luzernischen Antifeministen der ersten Stunde, ein, der sich mit «Feministinnen sind hässlich» in der Boulevardpresse einen «Namen» gemacht hat. René Kuhn ist der Mann, der die Adressen von Frauenhäusern publik machen wollte und damit die Leben von unzähligen Frauen, die Schutz vor ihrem gewalttätigen Partner suchten, direkt gefährdete. Ein solcher Mann durfte in aller Ruhe im Service public seine abstruse Minoritätenposition «ernsthaft» vertreten. Alles unter der technischen, entpolitisierten Fragefürsorge der Moderatorin.

Das gleiche Phänomen zeigte sich in der Arena vom 23. April 2010 mit Nicolas Blancho, dem Präsidenten des «Islamischen Zentralrats der Schweiz». Nicolas Blancho vertrat eine völlig unbedeutende, radikale Strömung einer Minderheit der in der Schweiz ansässigen Muslime und Musliminnen, bekam aber den prominentesten «Arena»-Sendeplatz, um sein antimenschliches Programm zu propagieren. Der Aufschrei in der Presse und unter den fortschrittlichen Muslimas und Muslimen in der Schweiz war gross. Wer einem Extremisten einer Splitterorganisation teure Fernsehminuten in einem der wichtigsten politischen Diskussionsgefässe zur Verfügung stellt, verkennt die Grundlagen des demokratischen Diskurses.

«Mehr Relevanz statt politischen Schlagabtausch» wünscht sich die neue SRF-Führung wie ein Schönwetterprogramm. Die Einführung des Frauenstimmrechts war keine Frage der Gefälligkeit oder der Unterdrückung der Männer, sondern eine schlichte Frage der Gerechtigkeit und der Feststellung: Frauen sind auch Menschen. Wer wie Sonja Hasler als Auftakt einer geschlechtersegregierten «Arena»-Sendung («Gleichstellung - alles paletti?») pseudoprovokativ fragt: «Sind es jetzt die Männer, die unter die Räder kommen?», lässt nicht nur Relevanz, sondern auch ein gewisses demokratisches Grundverständnis vermissen. Das Fazit zur «neuen Arena» kann deshalb nur mit Friedrich Nietzsche gezogen werden: «Alles gackert. Doch wer will noch still sitzen und auf dem Nest Eier brüten?»