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Samstag
09.04.2005

Dass die diesjährige Mitgliederversammlung der IGEM (Interessengemeinschaft elektronischer Medien) in einem Kino stattfand, hat seinen logischen Grund. Denn als Gastredner war Publigroupe-CEO Hans-Peter Rohner geladen. Mit der Übernahme des Kino- und TV-Vermarkters Cinecom & Media AG im letzten Jahr hatte der Lausanner Presseriese ja dokumentiert, dass er aus dem Presseghetto ausbrechen will. Aus seinen Ausführungen wurde schnell klar, dass der Publigroupe nichts Geringeres als ein totaler Wertewandel bevorsteht.

Lag das Schwergewicht bisher bei der Verwaltung von Anzeigen steht in Zukunft nach den Worten Rohners die «aggressive, offensive und professionelle Vermarktung» von Werberaum und Werbezeit in Medien im Zentrum. Als Ziel formulierte Rohner, dass seine Gruppe bis Ende dieses Jahres in der Schweiz alle elektronischen Medien im eigenen Haus vermarkten will, wie Journalist und Geschäftsführer Ueli Custer von der IGEM am Freitag schreibt. Die Wachstumsmöglichkeiten in der Schweiz seien allerdings limitiert. Hans-Peter Rohner blickt denn auch über die Grenze hinaus. Er sieht die Publigroupe in Anlehnung an den von ihm kreierten Begriff der «Print basierten Multimedia Serviceprovider» (Presseverlage) als «internationale, Schweiz basierte Multimedia Vermarktungsfirma». Als Vorbild dafür nannte Rohner China wo neben Anzeigen in Zeitschriften auch TV-Werbung in CNN China und Werbung auf der offiziellen Homepage der kommenden Olympischen Spiele in Peking vermarktet werden. Asien scheint auf Rohner eine gewisse Faszination auszuüben. Denn vom weltweiten Rekordwachstum der Werbeausgaben im letzten Jahr um 4,8% stammt der grösste Teil aus dieser Region.

Trotzdem möchte sich die Publigroupe aber auch bei der Vermarktung von elektronischen Medien in den Nachbarländern engagieren. Gegenwärtig würden zehn solcher Optionen geprüft. Für Expansionspläne stünden Rohner in den nächsten Jahren immerhin 100 bis 300 Millionen Franken zur Verfügung. Konkret meinte er dazu: «Falls ich in den nächsten Jahren nicht mindestens 100 Millionen sinnvoll investieren kann, müsste ich mir vom Verwaltungsrat Untätigkeit vorwerfen lassen.»

Alle diese Pläne beruhen auf einer Situationsanalyse der Publigroupe über die Entwicklung der Mediennutzung. Sie hält fest, dass unter den Stichworten Digitalisierung und Konvergenz eine durch die Technologie getriebene Entwicklung stattfindet. Welche dieser Möglichkeiten effektiv eine Zukunft haben, entscheide aber letztlich der Konsument. Und da zeige sich, dass einerseits verschiedene Medien einen festen Platz im Tagesablauf haben. Andererseits haben immer weniger Menschen einen ritualisierten Tagesablauf. Die Informationsbedürfnisse verändern sich deshalb immer häufiger von Tag zu Tag. Auch die zunehmende Mobilität übt einen erhöhten Einfluss auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Mediennutzung aus.

Unter diesen Voraussetzungen kommt der vertrauenswürdigen Quelle eine zentrale Bedeutung zu. Die Art und Weise der Informationsverbreitung muss sich aber nach den konkreten Bedürfnissen richten. Während diese am einen Tag nach einer umfassenden und kompletten Zeitung verlangen, können es an einem anderen Tag lediglich Kurzmitteilungen über die wichtigsten Ereignisse des Tages sein. Nach Rohners Meinung wird es deshalb in Zukunft immer weniger Medien geben, die für eine Mehrheit der Bevölkerung attraktiv genug sind. Die Verlage müssten sich danach richten und nicht weiter jeden Tag lediglich ein Einheitsmenü anbieten. Als Vorbild nannte er dabei die Gastronomie. Dort seien die Zeiten, wo man am Mittag lediglich zwischen einem Tagesmenü mit oder ohne Suppe auswählen konnte, schon lange vorbei.