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Samstag
11.11.2006

Wenn sich ein Angeschuldigter weigert, zu einem wichtigen Thema Auskunft zu erteilen, müssen hohe Anforderungen erfüllt sein, um die Berichterstattung zu rechtfertigen. Dies fordert der Schweizer Presserat in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme zu einem Artikel in der «NZZ am Sonntag», die über eine fehlgeschlagene Herztransplantation am Zürcher Universitätsspital berichtet hatte. Während die Klinik-Verantwortlichen von einer irrtümlichen Verwechslung der Blutgruppen sprachen, behauptete die NZZaS, gestützt auf mehrere anonyme Quellen, das Operationsteam unter Professor Marko Turina habe der Patientin absichtlich ein Herz mit einer falschen Blutgruppe eingepflanzt. Der Angeschuldigte lehnte eine Stellungnahme ab und sagte laut der Zeitung lediglich: «Ich äussere mich nicht dazu. Staatsanwalt Jokl hat mich mehrmals verhört. Fragen Sie ihn.»

Das Thema hat mittlerweile die Gerichte beschäftigt, und das Bundesgericht hat letztinstanzlich den journalistischen Quellenschutz höher eingestuft als die vollständige Aufklärung des Todesfalls. Parallel dazu hat sich der Presserat aus eigenem Antrieb ebenfalls mit dem Thema befasst und jetzt festgehalten, dass Medienschaffende «nicht leichthin annehmen dürfen, ein vorerst unwilliger Gesprächspartner verzichte auf die Anhörung zu detaillierten schweren Vorwürfen», wie es in der Stellungnahme heisst. Je direkter jemand persönlich angegriffen werde, desto nachdrücklicher müsse sich der Journalist um eine Äusserung des Betroffenen bemühen. Und weiter schreibt der Presserat: «Dabei sind die Betroffenen ausdrücklich mit den konkreten, zentralen Vorwürfen zu konfrontieren. Bei Verweigerung einer Stellungnahme empfiehlt es sich, die Vorwürfe ergänzend schriftlich (z. B. per E-Mail und/oder Telefax) zu unterbreiten. Es empfiehlt sich, im Medienbericht darauf hinzuweisen, dass der Betroffene mit den zentralen Vorwürfen ausdrücklich konfrontiert worden ist.» - Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/22560.htm - Siehe auch: Journalistischer Quellenschutz ist ein wichtiges Rechtsgut