Im Januar 2011 berichtete das «Thuner Tagblatt» über die IV-Beschwerde eines Berufsmannes aus der Region, der wegen einer HIV-Infektion sein Geschäft aufgab. Die Aidshilfe Schweiz, die den Mann betreute, beanstandete beim Presserat, jede Person, die ihren Klienten kenne, könne aufgrund des Berichts Rückschlüsse ziehen. Der Presserat urteilte am Dienstag: «Auch wenn ein Artikel lauter Angaben enthält, die für das Verständnis der Leserschaft wichtig sind, ist bei höchstpersönlichen Informationen, beispielsweise bei der Erwähnung einer HIV-Infektion, darauf zu achten, dass der Betroffene aufgrund der Berichterstattung nicht für Personen erkennbar ist, die davon bisher keine Kenntnis hatten», so der Presserat in seiner Stellungsnahme.
Das «Thuner Tagblatt» hatte argumentiert, der Bericht sei sorgfältig und zurückhaltend formuliert und der Betroffene sei aufgrund der Berichts kaum über seine näheres familiäres und soziales Umfeld hinaus erkennbar. Dies anerkannte zwar der Presserat. Doch je persönlicher und intimer die Informationen in einem Medienbericht seien, desto enger sollte der Kreis jener Personen sein, die jemanden aufgrund eines Berichts wiedererkennen. «Bei einer HIV-Erkrankung müsse es der Betroffene nicht hinnehmen, dass nahe Angehörige, denen er diese Information bisher vorenthielt, nun via Medien davon Kenntnis nehmen», teilte der Presserat mit.
Nach Auffassung des Presserates hätte das «Thuner Tagblatt» deshalb beispielsweise darauf verzichten sollen, den genauen Beruf und die Geschäftsaufgabe zu erwähnen. Nicht verletzt habe die Zeitung hingegen die Menschenwürde des Betroffenen. Weder werde er durch die blosse Angabe der HIV-Infektion in seinem Menschsein herabgesetzt noch stelle das «Thuner Tagblatt» die Fakten sensationalistisch dar.