Content:

Donnerstag
28.04.2005

Vom Medienkanzler zum Medienkritiker: Auf der Premiere des Herbert-Riehl-Heyse-Preises gedachte Kanzler Gerhard Schröder des grossen SZ-Reporters und appellierte an die Journalisten, ein Gegengewicht zum «Schmuddelfernsehen aus dem Dschungel-Camp» zu bilden, wie die «Süddeutsche» am Donnerstag schreibt. Im Hubschrauber fielen dem Kanzler die Augen zu, und der Reporter Herbert Riehl-Heyse rätselte, welche jüngsten Ereignisse dieser Wahlkampfreise «gewiss wie Fledermäuse» an ihm vorbeizögen. Als Gerhard Schröder dann aufwachte, wurde er geschildert als einer, der nach dem Aufstieg zum Parteichef seinen Frieden mit der SPD gemacht habe: «Ich bin es ja jetzt geworden, warum sollte ich die alten Kriege noch weiterführen?»

Erstaunt kommentierte sein journalistischer Begleiter, ob Schröders Augen «vielleicht deshalb ein wenig rot sind, weil er sie sich so oft verwundert reiben muss?». Dieses Porträt erschien am 19. September 2002 in der «Süddeutschen Zeitung», wenige Tage vor der Bundestagswahl - es war eine der letzten Arbeiten von Herbert Riehl-Heyse, dem grossen Reporter der SZ, der am 22. April 2003 gestorben ist. Der Schröder-Kenner hat sich immer wieder mit der Hassliebe zwischen Politik und Medien beschäftigt, gern auch ironisch mit der bayerischen Hausmachtpartei CSU oder mit dem Fussball. Das alles machte ihn dem SPD-Politiker Schröder sympathisch und lesenswert.

Die Jury bedachte Stefan Geiger von der «Stuttgarter Zeitung» für seinen im April 2004 erschienenen Essay über die Millionen-Mausefalle von Mannesmann, als Vodafone nach einem Kampf die Macht übernahm - und die geschlagenen Manager rund um Klaus Esser ihr Leid mit Zuwendungen in eigener Sache linderten: «Eigentum verpflichtet: Aber wozu verpflichtet es?», fragt Geiger. «Beim grossen Spiel sind Essers Millionen nicht mehr als das Trinkgeld für den Croupier.»

Schröder hielt es in München mit Grundsätzlichem zu Politik und Medien, die er in einer symbiotischen Beziehung sieht. Dass manche dabei Nähe pauschal als «Kumpanei» denunzierten und Distanz zum Selbstzweck erklärten, ärgert ihn. Für Schröder haben Boulevardisierung, Personalisierung und Skandalisierung zugenommen, bedingt durch die Werbekrise. «Journalisten haben durchaus Angst um ihre Arbeitsplätze, Angst schafft nicht mehr Unabhängigkeit», mahnte er: «Das müssen die bedenken, die als Verleger zu bestimmen haben.»