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Sonntag
04.12.2011

Mit Memoiren und Rückblicken auf die eigene Bedeutung ist das so eine Sache: Weise tun es nie, Egomanen bereits in jungen Jahren, wie Roger Schawinski, der sich als 32-Jähriger bereits mit einem römischen Imperator verglich («Ich, Claudius») und unter dem Titel «Ich, Roger» in der «Schweizer Illustrierten» seine 240-Seiten-Biografie eines Radiopioniers vorstellte. Und wieder andere tun es ein einziges Mal, im haargenau richtigen Augenblick, wie jetzt Heinz Spoerli, das Ballettgenie aus Basel, das zum Weltstar wurde.

Der NZZ-Verlag legt den wunderschönen Bildband auf («Heinz Spoerli: Weltbürger des Balletts»), und auch das passt: 16 Spielzeiten lang waren der Ballettchef des Zürcher Opernhauses und die «Alte Tante» an der Falkenstrasse Nachbarn. In Kürze wird Spoerli pensioniert, derzeit laufen seine letzten und stets im Nu ausverkauften Inszenierungen.

Und die «Neue Zürcher Zeitung» verliert ihren kreativsten Nachbarn. Am Donnerstagabend war Buchvernissage, nicht im Foyer des Opernhauses, sondern bei der NZZ.

Um die von Spoerli repräsentierte «singuläre Verbindung von grossem künstlerischen Können und Erfolg», so Vernissage-Gast Margrit Meier, Ex-NZZ-Kritikerin und spätere Diplomatin in Brüssel, entsprechend zu würdigen, verpflichtete die NZZ als Autor dieser Biografie keinen der ihren, sondern den besten Ballettkritiker Europas, den greisen Horst Koegler.

Während eines vollen halben Jahrhunderts begleitete dieser Karriere und Aufstieg des Schweizers. «Spoerli hat meine Ästhetik genau so geprägt wie George Balanchine», sagte Koegler gegenüber dem Klein Report. Und wohin diese Karriere die beiden führte, zeigt eine «Weltkarte der Gastspielorte» am Schluss des Buches, die die Tourneen und Gastspiele und Wirkungsstätten des Mannes auflistet, der dem Schweizer Ballett den Zutritt zur Elite des Weltballetts verschafft hat: 133 Städte in 34 Ländern, in welchen Spoerli in jungen Jahren als Tänzer und später als Choreograf wirkte!

Begonnen hat jedoch alles in Basel, als Spoerli als Dreikäsehoch der unvergessenen Josephine Baker bei einem Gastspiel einen Blumenstrauss überreichen durfte und dafür mit einem Kuss belohnt wurde. Und nach Basel kehrt er jetzt zurück, aber nicht als Pensionär, da sind sich Freunde und Kritiker einig. Koegler: «Der kann doch nicht aufhören, der wird weitermachen.»

Wird er? «Sicher», sagt Heinz Spoerli, der sich in bester Schweizer Handwerkertradition und etwas kokett lieber «Tanzmacher» als Choreograf nennt. Und wo? «Natürlich im Ausland.»