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Mittwoch
26.03.2003

Peter Hartmeier (50), der neue Chefredaktor des «Tages-Anzeigers», war am Dienstagabend Gast bei der Mediengewerkschaft Comedia im Restaurant Hermannseck. Dabei machte er im Gespräch, moderiert von Tina Hoffmann, Eingeständnisse: «Die Express-Redaktion wurde geopfert.» 72 Stunden vor dem Start der neuen Gratis-Pendlerzeitung der Tamedia kaufte sich diese bei «20 Minuten» ein - und sparte so einige Millionen Franken für die Etablierung ihres neuen Produktes. Was mit den «Express»-Redaktorinnen und Redaktoren wird, ist ungewiss. Tamedia will sie weiter beschäftigen, auch der «Tages-Anzeiger» sucht Möglichkeiten für deren Übernahme.

Eingeständnisse machte Hartmeier auch, was den «Tages-Anzeiger» betrifft. Das Flaggschiff der Tamedia sei erfolgsverwöhnt und bequem geworden - seine Aufgabe sei es nun, die Redaktion dafür zu sensibilisieren, dass eine Zeitung als Unternehmen auch wirtschaftlich sein müsse. In den letzten Jahren ist die Auflage des «Tages-Anzeigers» - gerade wegen der Konkurrenz der Pendlerzeitungen - zurückgegangen.

Zu seiner Person machte der Schaffhauser schmunzelnd, selbstironische Anmerkungen: Er stimmte der «NZZ am Sonntag» zu, die ihn als Journalisten ohne intellektuelle Brillanz und ohne gewandte Feder beschrieben hatte, auch sei er kein Organisationstalent, sondern ein Chaot. «Ganz falsch ist das nicht», sagte er. Seine Stärken machte die «NZZ am Sonntag» in der Kommunikation und Motivation fest. Im Gegensatz zu Esther Girsberger, die nur zwei Jahre Chefredaktorin war und Philipp Löpfe (2,5 Jahre) möchte Peter Hartmeier mehrere Jahre Chefredaktor bleiben. «Der ständige Wechsel tat dem Tages-Anzeiger nicht gut», sagte Hartmeier.

Hartmeier will den «Tages-Anzeiger» zur Grossstadt-Zeitung machen, das Blatt soll in Zürich die Meinungsführerschaft zu Themen wie Flughafen und Wahlen gewinnen. Politisch ordnet Hartmeier seine Zeitung nicht links der Mitte ein - für ihn ist das Links-Rechts-Schema überholt. Hingegen weist der Liberale, der seine FDP-Mitgliedschaft sistiert hat - dem «Tages-Anzeiger» eine soziale Verantwortung zu, wie die Zeitung etwa mit der Bejahung der Erbschaftssteuer bewiesen habe.