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Samstag
03.12.2005

Zur Demokratie gehören unabhängige und freie Medien. Und so sind denn Experten des US-Aussenministeriums fleissig dabei, irakischen Reportern das journalistische Handwerk nach westlichen ethischen Standards beizubringen. Allerdings nehmen es die USA mit den Prinzipien nicht so genau, die sie lehren. Nach jüngsten US-Berichten füttert das US-Militär die irakische Presse gezielt mit Artikeln, die die USA und die Lage im Irak gut aussehen lassen. Das Bestreben, sich gut zu verkaufen, geht demnach so weit, dass irakische Zeitungen für das Abdrucken der von US-Soldaten verfassten Artikel bezahlt und - so die «New York Times» - den USA wohlgesonnene irakische Journalisten mit klingender Münze belohnt werden.

In vielen Fällen sollen die irakischen Medien nicht einmal wissen, woher die Texte kommen, in denen etwa der Einsatz der amerikanischen und irakischen Truppen gelobt, die Aufständischen verdammt und die Fortschritte beim Wiederaufbau gepriesen werden. Denn an die Zeitungen verteilt werden die Artikel häufig durch als freie Journalisten getarnte Vertragspartner, wie US-Medien übereinstimmend melden.

Verraten wurde das alles von US-Militärangehörigen, denen bei dieser Art von Informationspolitik selbst mulmig geworden war. Einer von ihnen wurde stutzig, weil er so viele «starke pro-amerikanische Botschaften» in irakischen Medienberichten vorfand. «Ich fragte mich, woher zum Teufel kommt das?» zitiert die «Los Angeles Times» den Amerikaner. «Das war garantiert etwas, das die irakische Presse nie von selbst so aufgegriffen hätte.» Ein Dementi vom Pentagon, das einem US-Unternehmen Millionen Dollar für die Übersetzung der Texte ins Arabische und für den Vertrieb im Irak zahlen soll, kam bisher nicht. «Einige Dinge, sollten sie zutreffen, sind ein bisschen Besorgnis erregend», erklärte ein Ministeriumssprecher der «Washington Post». US-Militärvertreter in Bagdad gingen zwar nicht ins Detail, aber sie verteidigten die Verteilung der Artikel als Teil einer Kampagne, «um falschen, von den Aufständischen verbreiteten Informationen Fakten entgegenzusetzen». Nichts in den Artikeln sei aus der Luft gegriffen, sondern es entspreche alles den Realitäten.

Aber die Berichte seien immerhin einseitig und verstiessen daher gegen demokratische Prinzipien, sagen Vertreter von Medienorganisationen. «Ich halte das Vorgehen der US-Regierung für absolut falsch», meint der Vizepräsident des Zentrums für Journalisten in Washington, Patrick Butler. «Es ist ethisch unvertretbar.» Medienexperte John J. Shultz von der Universität Boston pflichtet bei: «Man kann nicht eine Demokratie aufbauen und zugleich eines der Kernprinzipien, eine freie unabhängige Presse, unterlaufen.» Und selbst US-Generalstabschef Peter Pace, der nach eigenen Angaben erst aus den amerikanischen Medien von der Kampagne erfuhr, «hält alles für problematisch, was die Entfaltung der Demokratie beeinträchtigt».