Erstaunlich gut besucht war am Mittwoch ein Aktionstag auf dem Zürcher Stadelhofenplatz der Berufsverbände Impressum und Comedia der Medienschaffenden. Viele Medienschaffende, aber auch zahlreiche Passanten liessen sich zu einem Kaffee nieder und kamen in Kontakt miteinander, wobei auch die Arbeitssituation zu reden gab. «Es waren immer etwa 30 Leute auf Platz, und das Thema ist bei allen gut angekommen», sagte Comedia-Sprecher Serge Gnos nach Beendigung der Aktion zum Klein Report. «Wir haben das erreicht, was wir wollten.» Mit diesem Anlass wollten die Verbände einerseits die Verleger zu Verhandlungen über einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) auffordern und anderseits dem Publikum klarmachen, welchen Stellenwert dieser GAV für die Qualität ihrer Medien hat. Der früher während Jahrzehnten gültige GAV (Ur-Version: «Badener Abkommen») war vor einem Jahr ausgelaufen, und ein neuer ist nicht in Sicht.
Zwischen den Journalistenverbänden und dem Verlegerverband Schweizer Presse (VSP) sind die Fronten verhärtet. «Die Verleger weigern sich, über einen neuen GAV zu verhandeln», sagte Martin Brunner, Vorstandsmitglied Impressum, am Aktionstag in Zürich. Umstritten ist insbesondere die Festschreibung von Mindestlöhnen. Stattdessen wollen die Verleger einen GAV ohne Lohnangaben respektive auf Betriebsebene festgelegte Löhne. Dies ist für Impressum und Comedia nicht akzeptabel. Anderseits sprach Verlegerverbandspräsident Lebrument in einem Radio-Interview von «weit überrissenen Mindestlöhnen», die die Ertragslage der Verlage nicht berücksichtigen würden. Die Gesamtarbeitsverträge hätten kleine Medienhäuser genötigt, aus dem Verlegerverband auszutreten. Im Übrigen gebe es bei den elektronischen Medien, etwa bei der SRG, auch keine Mindestlöhne.
Lebrument plädierte stattdessen für «Mindeststandards mit sozialen Sicherheiten». Damit sollen insbesondere Arbeitszeiten, Ferien und Sozialleistungen geregelt werden, nicht aber die Löhne. Laut Lebrument muss die Lohnfrage den Betrieben überlassen werden. Über diese Mindeststandards werden die Verleger an ihrem Jahreskongress am 15. September in Interlaken BE entscheiden. Nur auf der Basis dieser Mindeststandards könne eine Einigung mit den Journalisten gefunden werden, sagte Lebrument.
Bernhard Sutter, Präsident des Zürcher Pressevereins (ZPV), kritisierte die Medienhäuser, die zwar vorgeben würden, sich weiter an die GAV-Standards zu halten. Das vergangene Jahr habe jedoch gezeigt, dass die GAV-Bestimmungen täglich unterlaufen würden. Vor allem die Freischaffenden seien so stark betroffen, «dass sie in Existenznöte gekommen sind», erklärte der ZPV-Präsident. Klaus Rozsa, Präsident Presse Comedia, sprach von einer systematischen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Stephanie Vonarburg, Zentralsekretärin Presse von Comedia, erklärte, dass der Verlegerverband in einem erneuten Schreiben zu Verhandlungen aufgefordert werden soll. Wenn sich weiter nichts tue, «brauchen wir vielleicht die Unterstützung der Politik». Damit ist die Schlichtung des Streits durch staatliche Behörden angesprochen.
Mittwoch
14.09.2005