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Sonntag
08.10.2006

Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass fühlt sich von der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) ungerecht behandelt. Das Blatt soll sich im Umgang mit seinen Jugend- und Kriegserinnerungen nicht korrekt verhalten haben. Grass wirft dem Blatt eine Verletzung des Urheberrechts vor, wie er am Freitag an der Frankfurter Buchmesse sagte. Die FAZ hatte Ende September zwei Briefe von Grass an den früheren Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller aus den Jahren 1969 und 1970 abgedruckt.

Darin appellierte Grass an den SPD-Politiker, seine NS-Vergangenheit offen zu legen. Die von der FAZ abgedruckten Briefe seien «persönlich» gewesen und hätten nicht publiziert werden dürfen, sagte Grass. Die FAZ hatte eine von Grass geforderte Unterlassungserklärung nicht unterschrieben. «Das öffentliche Interesse an diesen Briefen ist evident», sagte FAZ-Geschäftsführer Roland Gerschermann. «Deshalb hat sich die FAZ für eine Veröffentlichung entschieden, zumal die Briefe in einer Dissertation zitiert werden.»

Im Übrigen seien sie nicht an den Privatmann Karl Schiller gegangen, sondern an seine Dienstadresse als Bundeswirtschaftsminister in Bonn adressiert gewesen. Es gehe hier, so Gerschermann, um die Glaubwürdigkeit der öffentlichen Person Günter Grass, der die Debatte durch sein verspätetes Bekenntnis, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, selbst ausgelöst habe. Anders sieht es Grass-Anwalt Paul Hertin. «Wenn das Schule macht, unveröffentlichte Briefe abzudrucken, dann müsste man allen Schriftstellern und sonstigen Urhebern sowie ihren Erben dringend empfehlen, unveröffentlichte Korrespondenzen umgehend aus allen Archiven abzuziehen.»