Die Tessiner Staatsanwaltschaft hat am Montag gegen zehn Personen - darunter CVP-Ständerat Filippo Lombardi eine Untersuchung eingeleitet. Damit haben die manipulierten Auflagezahlen beim Tessiner Kurienblatt «Giornale del Popolo» ein juristisches Nachspiel. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung, wie die Staatsanwaltschaft am Montag in einem Communiqué bekannt gab. Ob noch weitere Tatbestände wie etwa Betrug vorliegen, werde sich im Verlaufe der Ermittlungen zeigen. Staatsanwältin Maria Galliani kam in ihrer Voruntersuchung zum Schluss, dass beim «Giornale del Popolo» die Auflagezahlen zwischen 1994 und 2002 «nicht der Realität entsprachen». Den Vertretern der WEMF AG für Werbemedienforschung sei jeweils falsches Datenmaterial vorgelegt worden.
So attestierten die WEMF-Zahlen dem Kurienblatt für 1993 eine Auflage von 25 223 Exemplaren, während die wirkliche Auflage bloss 24 143 betrug. Noch eklatanter war der Unterschied im Jahr 2002: 27 319 beglaubigten standen 23 556 gedruckte Exemplare gegenüber. Publik gemacht wurden die Manipulationen am 12. März von der Satirezeitschrift «il Diavolo». Zwei Wochen später publizierte der «Diavolo» eine Gegendarstellung von Lombardi, der von 1987 bis 1996 Chefredaktor des «Giornale del Popolo» gewesen war. Der Ständerat schrieb damals «mit der Seelenruhe, die demjenigen zu eigen ist, der weiss, dass er sich nichts vorzuwerfen hat».
Fast zwei Monate lang stritt Lombardi sämtliche Vorwürfe ab. Vor einer Woche gab er dann in einem Communiqué überraschend zu, dass die Auflage des «Giornale del Popolo» 1994 und 1995 um bis zu 2000 Exemplare «beschönigt» worden sei. Mit einem erneuten Communiqué versuchte Lombardi am Montag seine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, wie die sda schrieb. Die vom «Diavolo» publizierten Angaben seien falsch gewesen: «Als ich Chefredaktor war, wurden keine 5000 falschen Abonnemente durch ein Informatikprogramm kreiert», zitiert die sda die auf Deutsch verfasste Mitteilung. Deshalb, so Lombardi, habe er nicht gelogen, als er die Vorwürfe
bestritt.
Von seinem Amt als Ständerat will der heutige Chef des Senders TeleTicino denn auch nicht zurücktreten: «Die Angelegenheit ist eingeschränkt, erfolgte vor zehn Jahren, unterlag nicht meiner formellen Kompetenz und hat niemandem weder geschadet noch jemanden bereichert», schreibt Lombardi. Im Tessiner Radio RSI sagte er am Montagmittag: «Ich kann das Unbehagen meiner Parteikollegen und der Wähler verstehen. Aber diese Angelegenheit stellt meine politische Arbeit der letzten vier Jahre nicht zur Diskussion.» Ob die Tessiner CVP dies auch so sieht, wird sich zeigen. Die Direktion der Partei wird sich am Dienstagabend unter anderem mit dem «Fall Lombardi» befassen.
Montag
24.05.2004