Aus berufenem Mund hat Washingtons Presse endlich erfahren, was sie schon immer über Präsident George W. Bush dachte: Zum Dinner der Korrespondenten im Weissen Haus brachte Bush am Samstagabend einen Doppelgänger mit, der die «wahren Gedanken» des Präsidenten aussprach. Die freundliche Begrüssung Bushs, der allgemein dafür bekannt ist, dass er gerne früh schlafen geht, las sich bei seinem Double Steve Bridges denn auch weniger schmeichelhaft: «Jetzt bin ich schon wieder auf einem dieser Pressedinners. Also gut, tun wir mal so, als wären wir gerne hier. Warum bloss kann ich nicht mit den 36 Prozent der Leute essen, die mich mögen?»
In Anspielung auf Bushs Probleme mit dem Satzbau machte sein Double auch keinen Hehl aus seiner Abneigung für die «White-House-Schreiberlinge»: «Die Medien gehen mir wirklich auf den Keks. Immer versuchen sie, mich blosszustellen, indem sie nicht verbessern, was ich sage.» Seine staatsmännische Sicht der Dinge brachten der Präsident und sein Schatten rascher auf den Punkt: «Ich werde damit fortfahren, unsere Vorstellungen rund um den Globus zu verbreiten - auch international.»
Dann liess Bush sich auch gleich noch in die politische Ahnenreihe von John F. Kennedy und Ronald Reagan einreihen: Beim Besuch an der Grossen Mauer habe er seinem chinesischen Kollegen mit dem unaussprechlichen Namen entgegengeschleudert: «Mister President, reissen Sie die Mauer ein.» Bush hat in seiner Amtszeit noch kein einziges Dinner der Korrespondenten verpasst, zu dem rund 2000 Vertreter der Journaille aus Politik, Unterhaltung und Sport eingeladen sind. Wie inzwischen schon Tradition, nutzte er den Abend, um nicht nur sein eigenes Image mit Hilfe von Selbstironie aufzumöbeln.
Auch die Regel, niemals schlecht über seine Vertrauten zu reden, wurde zumindest angekratzt. So versicherte er in Anspielung auf den damals nur zögerlich kommentierten Jagdunfall seines Stellvertreters Dick Cheney, er habe erst davon erfahren, «als ich die Liste mit Amerikas Meistgesuchten sah». Seinen Allgemeinzustand beschrieb Bush als «grossartig»: «Ich habe die Umbesetzungen im Weissen Haus überlebt.»
Montag
01.05.2006