Der bekannte Kulturredaktor Peter Wäch ist seit vielen Jahren Journalist. Wäch schrieb früher für schwule Publikationen wie den «Cruiser» oder «Display» und bezeichnet sich selber als gay, nicht als queer.
Der Klein Report publiziert einen Kommentar, den Wäch, Redaktor bei der Plattform J in Bern, vor Kurzem publiziert hat.
Peter Wäch begrüsst Organisationen wie «Just Gay», die bewusst einen konstruktiven Kontrapunkt zur LGBTQIA+-Community setzen. Er lebt mit seinem Partner in Bern.
Wächs Kommentar: «Gender-Belehrungen im Kulturschaffen sind für viele ein Ärgernis. Es gibt praktisch keine Produktion mehr, in der nicht ein Nonbinärer oder zumindest eine Transperson über die Bühne huscht.
Letzten Freitag (5. Dezember) erhielten die Premierengäste in der Operette «Im weissen Rössl» beim Theater Orchester Biel Solothurn gleich eine 15-minütige Unterweisung in Sexualpädagogik und wie sich eine transfluide Person fühlt. Die Kultur wird zur fragwürdigen Erfüllungsgehilfin einer heftig umstrittenen Ideologie.
Der Mann im Kleid oder mit Rock gehört längst zum Standard einer Theateraufführung, sei es im Schauspiel oder im Musiktheater. Das Spiel mit den Geschlechtern ist zwar so alt wie das Theater selbst, und das reicht bis in die Antike.
Heute wird damit allerdings eine penetrante Ideologie verknüpft, bei der Kritiker bemängeln, dass sie «top-down» von einer pseudoprogressiven Minderheit verordnet wird und dass dieses beharrliche Einfordern alles andere als «grassroots» gewachsen ist.
Seit dem 1. Januar 2022 kann jeder in der Schweiz selbst wählen, welchem Geschlecht er/sie sich zugehörig fühlt – für 75 Franken wird aus Herrn Meier ganz «unbürokratisch» und ohne medizinische Nachweise Frau Meier – unabhängig davon, ob sich Peter oder Petra am Morgen rasiert oder geschminkt hat. Wenn aber persönliches Empfinden entscheidet und vorschreibt, was andere denken sollen, fällt eine Gesellschaft hinter die Zeit der Aufklärung zurück, in der der Glaube das Mass aller Dinge war.
Nun gibt es auch Menschen, denen ein einmaliger Wechsel von Mann zu Frau nicht genügt. Heute weiblich, morgen männlich, also etwas dazwischen. Das Chamäleon-artige Hin und Her wird als nonbinär oder «transfluid» bezeichnet. Hier gelten neue Pronomen wie they oder them.
In Deutschland ist es mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz mittlerweile sogar unter Strafe gestellt, eine Transperson zu «misgendern», also nicht mit dem präferierten Geschlecht anzusprechen. Das absichtliche «Deadnaming» kann ein Bussgeld von 10’000 Euro nach sich ziehen.
Auch in der Schweiz wurde die Rechtslage deutlich verschärft. Der Berner Emanuel Brünisholz sass im Gefängnis, weil er zur Strafe von 50 Tagessätzen zu 50 Franken die «Verbindungsbusse» von 500 Franken nicht bezahlen wollte. Brünisholz schrieb auf Facebook: «Wenn man die LGBTQI nach 200 Jahren ausgräbt, wird man anhand der Skelette nur Mann und Frau finden. Alles andere ist eine psychische Krankheit, die durch den Lehrplan hochgezogen wurde.» Der letzte Satz wurde ihm zum Verhängnis, und darüber kann man auch streiten. Emanuel Brünisholz hat sich derweil bei den Schwulen, Lesben und Bisexuellen entschuldigt, am Kern der Aussage hält er fest.
Die Diskussion, wie viele Gender es geben soll und ob jemand einfach sein Geschlecht wechseln kann, womöglich von Stunde zu Stunde, ist ein gesellschaftspolitischer Brandherd. In den USA wurde Donald Trump auch deswegen zum Präsidenten gewählt, weil er feststellt: «Es gibt nur zwei Geschlechter, Mann und Frau.»
In Grossbritannien wurde der Komiker Graham Linehan für einen transkritischen Beitrag auf Social Media am Flughafen von drei Polizisten in Empfang genommen, die Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling gilt wegen ihrer dezidiert feministischen Haltung, die unter anderem keine Transmänner in der Frauensauna duldet, als Persona non grata.
In der Kultur ist die «Geschlechtervielfalt», man geht von einer unbegrenzten Zahl an Genderidentitäten aus, unbestritten. Punkt! Und so wird sie dem Publikum auch um die Ohren gehauen. Dieser neo-religiöse Imperativ verhindert jede Debatte, was im Kern antidemokratisch ist. In der TOBS!-Version der Operette «Im weissen Rössl» von Ralph Benatzky hat die Regie unter Olivier Tambosi gleich zwei nonbinäre Charaktere reingeschmuggelt. So ist Ottilie ein Otto in Frauenkleidern und Professor Dr. Hinzelmann, gespielt von einer Frau, eine männlich gelesene Person und später sogar seine Tochter, das Klärchen.
Den Otto im Kleid erkennt der Zuschauer sofort, doch die Transformation ist unfreiwillig komisch, denn sie hat eher «Travestie»-Charakter. Weit verstörender ist dann die eingebaute «Lektion» auf Primarschule-Niveau, in der Otto und Klärchen dem Publikum ihre sexuelle Identität erklären und wann genau die Geschlechtsmerkmale «im Weg» sind und wann nicht. Schliesslich wird der Penis von Otto besungen, denn der heisst «Sigismund», und er ist schön. Eine Premierenbesucherin meint in der Pause: «Eigentlich wollten wir ja kein Theater machen, wie jemand seine Sexualität lebt, aber in Wahrheit blasen wir die Thematik unnötig auf und erreichen damit das Gegenteil.»
Bleibt noch die Frage, wie ein Theaterpublikum damit umgeht, wenn die (Trans)-Sexualität weiterhin ein Topos bleibt und Klassiker dafür extra zurechtgebürstet werden. Am Opernhaus Zürich wird aktuell in der Operette «Die Fledermaus» von Johann Strauss die Figur des Gefängniswärters Frosch durch drei moralisierende, immerhin weibliche Nonnen ersetzt. Wirklich innovativ ist das nicht, es hat vielmehr den Gusto von ideologischer Indoktrination. Die schrillen Buhrufe an der Premiere sprechen für sich.
Für die Kulturstätten, die ohnehin seit Corona um Zuschauerinnen und Zuschauer kämpfen müssen, könnte sich der vorauseilende Gehorsam an einen fragwürdigen Zeitgeist als Bumerang erweisen. Auch wenn vielleicht ein Teil der woken Kirchgänger jubelt, dürfte die breite Masse eines Tages lieber daheimbleiben. Aber mit Netflix ist das ja auch so eine Sache!»



