Um den alten Antagonismus Geld gegen Geist, für einmal anhand der Gratiszeitungen, drehte sich am Kongress des Verbands Schweizer Presse am Freitagmorgen das erste Podiumsgespräch. Während Tamedia-CEO Martin Kall die Lancierung von «News» als zweites derartiges Produkt seines Verlags neben «20 Minuten» rechtfertigte, legten namentlich Norbert Neininger von den «Schaffhauser Nachrichten» und Christian Müller vom Vogt-Schild-Verlag («Solothurner Zeitung») den Akzent auf die Qualität des Inhalts, um die es gehen müsse, wenn man die Leserinnen und Leser behalten wolle. Dabei machte Neininger die anschliessend häufig diskutierte Bemerkung, der Markt sei «ein dummes Konzept», weil bei diesem Prinzip die Starken immer stärker würden und die Intelligenten verlören.
Vorerst aber definierte Kall sein Ziel der «total audience», der Mensch als Nutzer von Gratis- und Qualitätszeitungen sowie von Internet und Mobile, die er mit seinem Angebot erreichen wolle. Dazu argumentierte er viel mit Zahlen - «1,2 Millionen 20-Minuten-Leserinnen und -Leser können sich nicht irren, wir stillen ein Grundbedürfnis, das bleiben wird» - und Zielgruppen. Demgegenüber gab Müller ganz gelassen zu Protokoll, die Gratiszeitungen gebe es noch etwa fünf bis sieben Jahre. Bis dann haben sie sich nach seiner Einschätzung gegenseitig kannibalisiert. Kall als Konkurent («Solothurner Tagblatt») schaffe es trotz des Einsatzes von viel Geld nicht, die «Solothurner Zeitung» in den Ruin zu treiben, weil es eben um journalistische Qualität gehe. Diese werde allerdings auch noch in zehn Jahren gefragt sein.
Norbert Neininger relativierte den Erfolg der Gratiszeitungen mit der Bemerkung, dass deren Nutzer gar keine Leser seien, sondern lediglich nach einer Beschäftigung suchten, wenn sie im öffentlichen Verkehr unterwegs seien. Neiningers Beleg für diese Behauptung: «Wenn Sie im Bus und im Tram Gratis-X-Boxen aufstellten, würden die Leute darauf spielen und die Gratisblätter liegen lassen.» Hanspeter Rohner, CEO der Publigroupe, wies anderseits darauf hin, dass die Migros als vielleicht wichtigster Werbeauftraggeber in der Schweiz mit über 100 Millionen Franken Inserateausgaben im Jahr, in nächster Zeit durch Aldi und Lidl in Bedrängnis geraten werde, was zu Änderungen bei der Marktbearbeitung und zu einem vermehrten Werbeeinsatz im Internet führen könne - mit entsprechenden Reduktionen bei den Inseraten.
Freitag
21.09.2007