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Donnerstag
06.09.2018

Medien / Publizistik

Schwindende Rolle für Frauen in Romanen

Schwindende Rolle für Frauen in Romanen

In einer erschütternden Big-Data-Studie zu Frauen und Männern in der Literatur stellt David Bamman von der University of California als Koautor fest: «Frauen sind in viktorianischen Romanen besser und häufiger präsent als in zeitgenössischen.»

Regula Stämpfli, Kolumnistin für den Klein Report, über das Vorurteil, dass es Frauen in Kunst und Medien heute viel leichter haben als in der Vergangenheit.

Einige junge Genderaktivistinnen, die sich besonders hip und modern finden, verkünden via Twitter, Instagram, Facebook – oder auch in den analogen Medien – immer wieder, wie neu und aufregend sie seien und wie die ältere Generation gerade von emanzipierten Frauen keine Ahnung habe.

Die Medien greifen solche Stories mehr als gerne auf, obwohl diese Einschätzungen völlig falsch sind. Sie entsprechen weder den historischen Tatsachen noch der Wirklichkeit von Frauen. Die Gewalt im öffentlichen Raum, speziell gegen Frauen, hat zugenommen, wie dies auch die schweizerische Unfallstatistik 1995-2016 laut «SonntagsZeitung» vom 2. August belegt.

Die Lohnschere ist ähnlich gross wie vor 30 Jahren, die politische Repräsentation von Frauen verharrt auf mageren 30 Prozent – und im Ständerat sind sogar weniger Frauen als im Jahr 2000 (nur noch um die 15 Prozent). Frauen als CEO sind im deutschsprachigen Raum eine Seltenheit und meist als Tochter, Schwester, Witwe oder Ehefrau zu ihren Posten gekommen.

Professorinnen gibt es in der Schweiz vor allem ausländische – und insgesamt nur 12 Prozent. Vor 40 Jahren waren es schon sagenhafte 2 Prozent! Dies zu einer Zeit, als Frauen kurze Haare trugen, mit David Bowie Geschlechtsidentitäten probten, einmal im Monat Frauendiscos pflegten und realen Krawall machten – und nicht nur einen Hashtag auf Twitter setzten.

Und dennoch ist seitdem so wenig passiert. Wenn es in einem derartigen feministischen Tempo weitergeht, werden die Universitätsprofessoren durch Roboter ersetzt, bevor Frauen im akademischen Betrieb auf einen anständigen Prozentsatz kommen.

Armut hat 2018 noch immer ein einziges Geschlecht, und es ist weiblich – mal abgesehen von der pitoyablen Situation der Flüchtlinge. Alleinerziehende sind zu mindestens drei Vierteln weiblich, und die Armut von Kindern in Deutschland ist so schlimm, wie kaum zuvor: Jedes fünfte (!) Kind lebt in menschenunwürdigen Hartz-IV-Verhältnissen.

Angesichts dieser Entsetzlichkeiten, welche die wirklichen Verhältnisse von Frauen in der Schweiz, in Deutschland und in Europa betreffen, stellt die Big-Data-Studie zur «schwindenden Rolle von Frauen in Romanen» eher einen Nebenschauplatz dar. Aber die Studie ist wichtig, um all die jungen Gender-Trans-«Neufeministinnen», die klassische frauenpolitische Forderungen wie Lohngleichheit, Emanzipation, Abschaffung der Prostitution, politische Repräsentation oder gar Rechtsstaat lauthals als «veraltet» klassifizieren, etwas leiser zu machen und auf die Strasse zu schicken.

Denn nur durch den Druck der realen Welt ändern sich die Fiktionen der Macht. Wie Frauen leben, lieben und sein dürfen, entscheiden kein Hashtag und keine gute Selfie-Influencerin, sondern letztlich nur die realen materiellen, kulturellen und politischen Freiheiten und Sichtbarkeiten (was unter einer Burka notabene auch nicht gewährleistet ist).

Und noch etwas: Bustle.com veröffentlichte erst kürzlich, dass Männer auch 2018 noch viermal mehr Bücher von männlichen Autoren rezensieren, besprechen und empfehlen, als Werke von Frauen. Dies wird sich auch das Schauspielhaus Zürich gedacht haben, das die wichtigsten politischen Gesprächsrunden nach dem Muster «Frau fragt, Männer antworten» besetzt.