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Sonntag
22.06.2008

Der Staatsrechtler Georg Müller beklagt die Verharmlosung von Amtsgeheimnis-Verletzungen. Dabei richtet er seinen kritischen Blick auf das Berner Parlament und meint, es käme sehr selten zu Aufhebungen der Immunität. Diese Meinung vertritt Georg Müller in einem Interview mit dem «SonntagsBlick». Im Zusammenhang mit der Affäre Blocher-Roschacher beantragt die Rechtskommission des Nationalrats, die Immunität von SVP-Präsident Toni Brunner aufzuheben. Dieser wird verdächtigt, den damaligen Justizminister Christoph Blocher über Verhandlungen der Geschäftsprüfungskommission (GPK) zum Fall Roschacher informiert und damit eine Amtsgeheimnisverletzung begangen zu haben.

Dass es immer wieder zu Amtsgeheimnisverletzungen komme, ändere nichts daran, dass jeweils eine strafbare Handlung vorliege, sagt Rechtsexperte Müller. Er hatte im Auftrag des Bundesrats den GPK-Bericht zur Affäre beurteilt. Verletzungen des Amtsgeheimnisses seien keine Lappalie. Sie schadeten der Sache und dem Ansehen des Parlaments. Ohne Vertraulichkeit seien keine Kompromisse und damit keine vernünftigen politischen Lösungen möglich. Müller befürwortet deshalb eine Verschärfung der Praxis in Bezug auf Immunitätsaufhebung. In der heutigen Praxis stehe die Kollegialität im Vordergrund - «man könnte sagen, das `frère et cochon`-Prinzip: Man deckt sich gegenseitig, weil jeder Angst hat, der Nächste zu sein», sagt Müller dazu.