Was nach Pub-Spiel und Polterabend aussieht, ist längst ein global vermarktetes TV-Ereignis: Die Darts-WM im Londoner Alexandra Palace kombiniert sportliches Gelage mit perfekter Medieninszenierung – und spült Millionen in Kassen von Veranstaltern, Sendern und Sponsoren.
Plastikbecher, Verkleidungen und kollektives Mitgrölen gehören an der Darts-WM ebenso zwingend dazu wie Triple-20 und Check-out auf Tops.
Wer das Spektakel im «Ally Pally» einmal gesehen hat, weiss: Hier wird ein vermeintlich einfaches Kneipenspiel zum Massenritual befördert – irgendwo zwischen Halloween, Kindergeburtstag und Wettbüro. Genau diese Mischung macht den Anlass zum Quotenhit, der in der Altjahreswoche selbst traditionsreiche Wintersportformate locker aussticht.
Spengler-Cup und Vierschanzentournee waren gestern – heute ist Darts-WM in London.
Sportlich liefert die Professional Darts Corporation (PDC) Präzisionssport auf höchstem Niveau. Titelverteidiger Luke Littler demonstrierte jüngst mit einem 107er-Average und 17 Maxima gegen Ex-Weltmeister Rob Cross, warum er der Massstab ist. Der 18-Jährige verkörpert die perfekte Figur für die Moderne dieses Sports: jung, cool, nervenstark – und bestens vermarktbar.
Dass daneben Figuren mit Übernamen wie «Heavy Metal» Ryan Searle oder Publikumsliebling Luke Humphries auftreten, gehört zum kalkulierten Gesamtkunstwerk.
Auch der deutschsprachige Raum ist längst Teil der Erfolgsgeschichte. Acht deutsche Spieler standen dieses Jahr im WM-Feld – ein Rekord. Namen wie Martin Schindler, Gabriel Clemens oder Ricardo Pietreczko belegen, wie sehr sich Darts vom britischen Exoten zum kontinentalen Fernsehprodukt entwickelt hat.
Historisch wurde es aus Schweizer Sicht: Stefan «Belli» Bellmont aus Cham besiegte mit Raymond van Barneveld gleich eine lebende Legende – der erste Schweizer WM-Sieg überhaupt.
Dass dieses «sportliche Gelage» längst Hochleistungssport plus Hochglanzbusiness ist, zeigt ein Blick aufs Geld. Insgesamt werden 2,5 Millionen Pfund Preisgeld ausgeschüttet, der Weltmeister kassiert 500’000 Pfund, selbst ein Erstrunden-Aus bringt noch 7'500 Pfund. Dazu kommt ein florierendes Wettgeschäft und eine Sponsorenlandschaft, die vom irischen Buchmacher Paddy Power (Titelsponsor bis 2031) über Smartwater bis zu Spieler-Partnerschaften mit Marken wie Xbox reicht.
Darts ist damit weniger die Frage nach Sport oder Nicht-Sport – sondern ein Paradebeispiel dafür, wie sich ein niedrigschwelliges Regelwerk, kalkulierte Exzesse und konsequente Inszenierung zu einem nahezu unschlagbaren Medienprodukt verdichten.
Oder, um es mit einem Bier aus dem Plastikbecher zu sagen: Cheers – und die Kamera läuft.




