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Sonntag
05.09.2004

Gleich zwei Schweizer Regisseure haben am Wochenende am Filmfestival Venedig für Aufsehen gesorgt: der in den USA arbeitende Marc Forster mit dem Film «Finding Neverland» und der in Polen lebende Greg Zglinski mit «Tout un hiver sans feu».

Der 35-jährige Bündner Marc Forster wurde vor zwei Jahren weltweit bekannt, als Halle Berry als erste schwarze Schauspielerin überhaupt für ihre Vorstellung in Forsters Film «Monster´s Ball» mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Mit «Finding Neverland» hat er nun erstmals einen Film mit grossem Budget gedreht.«Finding Neverland» ist einer der zahlreichen Star-besetzten Hollywood-Filme, die das diesjährige Filmfestival Venedig prägen. Mit Johnny Depp, Kate Winslet, Julie Christie und Dustin Hoffman ist sein Film einer der am prominentesten besetzten Beiträge der Mostra. Er läuft, wie die meisten US-Filme, ausser Wettbewerb.

Der Film erzählt die Geschichte des schottischen Autors James Matthew Barrie, der sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in London um vier vaterlose Jungen und deren kränkelnde Mutter kümmerte. Das gibt ihm die Inspiration, das Stück «Peter Pan» zu schreiben, das später zum Kinderbuch-Klassiker wurde. «Finding Neverland» ist konventionelles, aber grosses und berührendes Kino. Der Film, der auf dem Theaterstück «The Man who was Peter Pan» basiert, wurde in Venedig enthusiastisch gefeiert. Forster gelingt es, sowohl einen realistischen Film über das prüde England vor 100 Jahren zu machen wie auch die reiche Fantasiewelt der Kinder glaubwürdig zu zeigen.

Johnny Depp gibt einen nachdenklichen Barrie, der jedoch aufblüht, wenn er mit den Kindern der verwitweten Sylvia (Kate Winslet) «Indianerlis» oder «Seeräuberlis» spielen kann. Depp sagte in Venedig, dass gerade in einer Welt des Terrors den Traumwelten der Kinder eine Bedeutung zukomme. Es sei wichtig, sich die kindliche Neugier und Begeisterung zu bewahren. Depp lobte den in der Schweiz aufgewachsenen und seit 1990 in den USA lebenden Marc Forster, mit dem er jederzeit wieder zusammenarbeiten würde. Auch Winslet zeigte sich angetan von der ruhigen und professionellen Art des Schweizers. Forster selber sagte in Venedig, dass er mit seinem Film sowohl Kinder wie Erwachsene ansprechen wolle.

Eine kühlere Aufnahme fand die in der Schweiz gedrehte
schweizerisch-belgische Ko-Produktion «Tout un hiver sans feu» des 36-jährigen Greg Zglinski, der bis 1992 in der Schweiz lebte. Sein Film läuft als offizieller Schweizer Beitrag im Wettbewerb um den Goldenen Löwen. Es ist Winter im Jura. Auch die Holzbalken des abgebrannten Kuhstalls, in dem ihre fünfjährige Tochter umgekommen ist, liegen im Schnee. Als Kontrast dazu dient das Feuer im Eisenwerk, in dem der Vater jetzt arbeitet. Seine Frau lebt nun in der Psychiatrie. Der Film zeigt eindrückliche Landschaften, und eindrücklich sind die ausdruckslosen Gesichter der trauernden Eltern. Das Problem des Films ist, dass er nicht eine Geschichte erzählt, sondern bloss einen Zustand beschreibt. Der Film zeigt nur, was in zwei Menschen vorgeht, die ihre Tochter verlieren. Für einen Spielfilm ist das etwas wenig.