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Sonntag
04.08.2002

Der Wettbewerb des Filmfestivals von Locarno ist bislang von hoher Qualität geprägt. Die bisher bemerkenswerteste Produktion inszenierte der US-Amerikaner Gus Van Sant mit «Gerry». In dem alle konventionellen Erzählmuster meidenden Filmessay werden zwei junge Männer während einer Wanderung durch eine wüstenähnliche Landschaft beobachtet. Besonders starken Beifall erhielt die melancholische österreichische Komödie «Blue Moon» (Regie: Andrea Maria Dusl). Bei aller Ernsthaftigkeit oft brüllend komisch, mausert sich der Film zu einer reifen Polit-Satire.

Schauwert ist in diesem Jahr offenkundig das entscheidende Attribut für die Präsentationen auf der Piazza Grande. Das ist amüsant, wenn es so charmant daherkommt wie die Oscar-Wilde-Adaption «The Importance of Being Ernest». Ärgerlich hingegen wird es bei Filmen wie «Un nouveau Russe» («Tycoon») des russischen Regisseurs Pavel Lounguine, ein mit billigen Effekten aufgeladener Thriller. Noch blutrünstiger kommt der britische Schocker «My Little Eye» (Regie: Marc Evans) daher, eine fade Geschichte vor dem Hintergrund von TV-Unsäglichkeiten à la Big Brother. Diesen Missgriff haben die Besucher denn auch mit einem starken Buh-Konzert quittiert.

Bereits verliehen wurde am Samstag der Ehrenleopard - dieses Jahr an den US-Regisseur, Schauspieler und Produzent Sydney Pollack. Mit dem undotierten Preis wird jedes Jahr eine Persönlichkeit der Filmwelt für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, die mit ihrem Filmschaffen massgeblich zur Erneuerung der Filmsprache, der Inhalte und der Ausdrucksformen des zeitgenössischen Kinos beigetragen hat.

Traditionell ist das Filmfestival an seinem ersten Wochenende Treffpunkt von Prominenz aus Politik und Wirtschaft. Prominenteste Gäste waren diesmal Bundespräsident Kaspar Villiger, seine Bundesratskollegin Ruth Dreifuss sowie der deutsche Innenminister Otto Schily. Daneben wurden aus der nationalen Politszene Franz Steinegger, Anita Fetz und Fabio Abate gesichtet. Der Tessiner Staatsrat war mit Regierungspräsidentin Patrizia Pesenti, Marina Masoni, Gabriele Gendotti sowie Luigi Pedrazzini vertreten. Ferner besuchten am Wochenende auch die Regisseure Xavier Koller («Reise der Hoffnung»), Fredi M. Murer («Höhenfeuer»), Markus Imhof («Heidi»), Sabine Boss («Einfall in Havanna»), Dokumentarfilmer Paul Riniker, die Komiker Viktor Giacobbo und Gardi Hutter das Filmfestival. Mehr zum Filmfestival in Locarno im Archiv