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Freitag
26.01.2007

Dem Schweizer Film gehts gut, lässt sich bei den Solothurner Filmtagen allenthalben hören. Wenns mal nicht so gut läuft, gibts im Leben jeweils Schuldige. Zum - naturgemäss - schwierigen Verhältnis zwischen Verleihern, Kinobetreibern und Filmjournalisten ging es daher bei der Podiumsdiskussion «Cheerleader oder Spielverderber?» oder der Frage: «Was ist los mit der Schweizer Filmkritik?» Oder gibt es einen Zusammenhang zwischen schlechten Filmkritiken und den Besucherzahlen?

Unter der souveränen Moderation von Christian Jungen, Filmspezialist der «Aargauer/Mitteland Zeitung», diskutierten renommierte Filmkritiker wie Martin Walder («NZZ am Sonntag»), die SF-Filmredaktorin Franziska Oliver und Philipp Portmann (Filmjournalist für TV-Star und Star-TV) mit Vertreterinnen und Vertretern des Verleih-Gewerbes über ihre Rollen und ihr jeweiliges Selbstverständnis. Bea Cuttat, vom Filmverleih Look Now, stellte fest, dass «Filmkritiker häufig mehr über ihre eigenen Befindlichkeiten und Vorlieben als über einen Film mitteilen» und drohte: «Die Aufzählung entsprechender Beispiele wäre abendfüllend.» Martin Walder konterte, dass «Filmkritiker im Vergleich mit anderen Kritiker-Gattungen am meisten gefordert sind - von der thematischen Breite bis zur Tatsache, dass der Film ein Massenmedium ist». Ausserdem wies er auf «völlig verschiedene Rollen» hin, wonach der Verleih eben «Marketing nach allen Regeln der Kunst» zu betreiben habe, während es dem Filmjournalismus um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk gehe. Roger Crotti, Direktor von Buena Vista International Switzerland, sieht bei den Kritikern vielmehr «die Tendenz, wonach das Glas immer halb leer statt halb voll ist», und der Schweizer Film werde obendrein «besonders kritisch gesehen».

Neben unterschiedlichen Wahrnehmungen brachte die Fernsehfrau Franziska Oliver Grundsätzliches ins Spiel: «Die Macht der Bilder von Trailern ist so gross, dass wir mit unserem bisschen kommentierenden Text nicht mithalten können.» Die TV-Filmredaktorin sieht «bereits in der Bildauswahl der Majors und Verleiher einen Eingriff in die journalistische Unabhängigkeit». Bei kleineren Verleihern habe die Filmkritik «noch mehr Auswahl- und Zugriffsmöglichkeiten», so Franziska Oliver. Roger Crotti verneinte die Frage, ob er «von seinen Bossen in Amerika Anweisungen zum Umgang mit unfreundlichen Filmkritikern erhalte» und widersprach dem Gerücht, wonach es bei den Verleihern «Dossiers» oder gar «schwarze Listen» gebe. Auch von Boykottmassnahmen gegenüber kritischen Presseerzeugnissen sei ihm nichts bekannt. Dagegen beklagte der Verleih-Manager, dass sich «viele Kritiker zu wenig über Aufwand und Komplexität von Filmproduktionen bewusst sind».

Auch strukturelle Probleme der Verlagspolitik kamen beim Diskurs zur Sprache, wenn beispielsweise «Redaktionen vermehrt Filmspezialisten durch Allrounder ersetzen» oder aus Spargründen «Filmseiten eingestellt» und «Stellen gestrichen» werden. Neben dem Austausch von Empfindlichkeiten konnte sich die Runde noch auf ihre «wechselseitigen Abhängigkeiten» verständigen: «Grabenkämpfe sind unnütz, was zählt, ist das Publikum.» Oder wie es eine Filmredaktorin aus dem Publikum formulierte: «Die schlechteste Nachricht überhaupt ist `no news`».