Zum Ende der 55. Frankfurter Buchmesse blickt die Branche mit einer Mischung aus vorsichtiger Zuversicht und Zweckoptimismus in die Zukunft. «Wir nehmen Fahrt auf, das Buchgeschäft wird anziehen», sagte der Geschäftsführer des Rowohlt Verlages (Reinbek), Lutz Kettmann, gegenüber der dpa. Für ein gutes Geschäft sorgten besonders Bestseller wie «Middlesex» von Jeffrey Eugenides. Beim Eichborn Verlag (Frankfurt) war der Tenor etwas gedämpfter: «Das Einkaufsverhalten der Händler ist noch vorsichtig», sagte Cheflektor Matthias Bischoff. Die Tendenz zu «einer ungeheuren Spezialisierung auf die Spitzentitel» setze sich fort. Dazu zähle etwa «Im Wolfspelz» von Wolfgang Joop. «Die Titel in der zweiten und dritten Reihe werden stark ausgesiebt.»
«Bei uns läufts wahnsinnig gut», freute sich die Verkaufsleiterin des S. Fischer Verlags (Frankfurt), Sabine Müller. Mit zwei preisgekrönten Autoren, dem diesjährigen Literatur-Nobelpreisträger J. M. Coetzee und der Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels, Susan Sontag, sei der Verlag in einer «ganz besonders guten Lage». Ähnlich zufrieden ist der Marebuchverlag (Hamburg). «Wir haben alle Aufmerksamkeit, die wir uns wünschen», sagte eine Mitarbeiterin mit Blick auf den Titel «Rausch» von John Griesemer, der jüngst die Spitze der «Spiegel»-Bestsellerliste erklomm. Insgesamt könne in der Branche aber noch nicht von einem Aufschwung die Rede sein: «Immerhin ist die depressive Stimmung verflogen.»
Gute Aussichten bekundeten auch einige spezialisierte Verlage. «Wir sehen einen deutlichen Aufschwung», sagte der Vertriebsleiter vom DuMont Literatur und Kunst Verlag (Köln), Urban van Melis. Im Kunstbereich gebe es Zuwächse von etwa 5% im Vergleich zum Vorjahr. «In Krisenzeiten stürzen sich viele Verlage auf Werke für die Masse. Diesen Trend nicht mitzugehen hat uns eine Nische bei den hochwertigen Stücken beschert», sagte er. Der auf Kunstbücher spezialisierte Hatje Cantz Verlag (Ostfildern) sieht ebenfalls eine Tendenz zur Besserung. Eine Sprecherin betonte aber, das Tal für stark spezialisierte Verlage sei auch noch nie so tief gewesen.
Beim Verlag Gräfe und Unzer (München) mit dem Schwerpunkt Ratgeber freute sich Sprecherin Claudia Uhr über die anziehende Nachfrage nach hochwertigen Koch- und Weinbüchern zum kommenden Weihnachtsgeschäft. Der Stand sei «extrem gut» besucht gewesen, und eine positivere Grundstimmung mache sich in der Branche breit. «Bei vielen Verlagen ist das noch ein Stück weit Wunschdenken», sagte Uhr. «Aber Gejammer gab es lange genug. Da ist der Versuch gut, den Kopf aus dem Sand zu nehmen.»
Vorsichtig in Bezug auf die wirtschaftliche Erholung der Buchbranche äusserte sich der Berliner Verleger Klaus Wagenbach: «Das wird etwas länger dauern, als wir es uns wünschen.» Ein Grund für die Umsatzflaute sei der «Nationalcharakter» der Deutschen. Sie seien «Hosenscheisser», die, von einer angeblichen Krise verschreckt, sofort kaufunlustig werden. Nach dem Eindruck von Christoph Links vom gleichnamigen Verlag (Berlin) hat die Messe in Bezug auf Lizenzverhandlungen zu einer «sachlich-wohltuenden Atmosphäre» zurückgefunden. «Die Zeiten der Zocker-Atmosphäre bei den Lizenzverhandlungen sind vorbei», sagte Links der dpa. Die horrenden Preise könne sich heute kein Haus mehr leisten.
Montag
13.10.2003