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Dienstag
30.03.2004

Deutschlands Zeitungsverleger sind eine «Schnarchergesellschaft». Mit diesen Worten attackierte der Herausgeber der «Frankfurter Allgemeinen» (FAZ), Günther Nonnenmacher, seine Kollegen anlässlich einer Diskussion am European Editors Form in Wien vom Dienstag. Unter der Leitung von «Die Presse»-Chefredakteur Andreas Unterberger unterhielten sich Nonnenmacher, der Redaktionleiter der «NZZ am Sonntag», Felix E. Müller, und der Chefredaktor der «Rheinischen Post», Ulrich Reitz, über «Wieviel Glaubwürdigkeit brauchen Medien? - Journalismus der Zukunft zwischen Information, Unterhaltung, Wirtschaft und Politik» vor mehr als 200 Chefredaktoren und Verlagsführungskräften aus ganz Europa.

«Ich kann nicht verstehen, dass es nicht möglich ist, eine gemeinsame Kampagne aller Zeitungsverleger zustande zu bringen, bei der das Lesen von Zeitungen als Statussymbol beworben wird», so Nonnenmacher. Immer mehr Verlage machen heute eine Kaufzeitung, die sich inhaltlich «nur mehr in Spuren» von den Gratiszeitungen derselben Verlage unterscheiden. Damit schiessen sich die Verleger ins eigene Knie, warnte Nonnenmacher. Die Verleger würden darüber hinaus durch die Lande ziehen und Electronic Publishing propagieren, obwohl inzwischen klar sein sollte, dass gerade dort kein Geld zu verdienen sei.

Selbst auf die «Innovations-Resistenz» der «FAZ» angesprochen, verkündete Nonnenmacher, dass sich die «FAZ» künftig jünger präsentieren will und schon bald in Farbe erscheinen wird, jedoch weiter ohne Foto am Titel. «Wir sind in den letzten Jahr zu fett geworden», bekannte Nonnenmacher. Man habe täglich eine Wochenzeitung mit bis zu 180 Seiten angeboten, sodass ein Normalleser die Zeitung nicht einmal mehr ansatzweise lesen konnte. Insofern sei die Krise der vergangenen Jahr durchaus heilsam gewesen. Allerdings sei nach den schweren Anzeigeneinbrüchen der vergangenen Jahre nicht mehr klar, ob die bisherige Querfinanzierung einer Zeitung über die Anzeigen noch weiter funktionieren werde.

Ulrich Reitz, Chefredakteur der «Rheinischen Post» in Düsseldorf, forderte, dass sich die Zeitungen ändern müssten. «Unser Heil kann nicht in einem Artikel mit 200 Zeilen liegen», sagte Reiz und kritisierte den «FAZ»-Herausgeber, der «nicht den Mut zu einer modernen Zeitung» habe. Dabei würde die «FAZ am Sonntag» den Weg vorgeben, wie man dies machen könne, sagte Reitz. Sie habe zu einem «fruchtbaren Wettbewerb» im eigenen Haus geführt. Die tägliche FAZ wird sich aber nicht der Sonntagszeitung angleichen. «Da würden wir dramatische Einbrüche erleben», sagte Nonnenmacher. Ungläubig beobachtet der «FAZ»-Herausgeber, dass die Zugriffe auf das Internet-Angebot der «FAZ dramatisch gestiegen» seien, seit man zwei Drittel Personal abgebaut und das inhaltliche Angebot drastisch reduziert habe. Es sei eine Illusion mancher Verleger zu glauben, dass sie das Geld künftig im Internet erwirtschaften werden, das sie derzeit bei ihren Printmedien verlieren.

Felix E. Müller, Redaktionsleiter der «NZZ am Sonntag», warnte vor dem fundamentalen Widerspruch, Informationen gratis im Internet anzubieten und gleichzeitig die Abopreise zu erhöhen. Als grosse Gefahr für die Tageszeitung wertet Müller, dass sich ein grosser Teil des Anzeigengeschäftes in Pendler- und Gratiszeitungen verlagert. «Wir müssen lernen, auf einem geschäftlich tieferen Niveau unsere Leistungen zu erbringen», sagte Müller.