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Mittwoch
06.07.2005

Die umstrittene EU-Richtlinie zu Software-Patenten ist vom Tisch. Das Europaparlament wies den EU-Gesetzesentwurf am Mittwoch in Strassburg mit überwältigender Mehrheit von 648 zu 14 Stimmen zurück. Es lehnte damit erstmals in zweiter Lesung eine Gesetzesvorlage ab. Nach der Ablehnung gilt für Computer-Software weiter das Urheberrecht. Es schützt aber nur den konkreten Programmiercode, nicht die Idee oder das Verfahren an sich.

Mit dem Votum ist ein jahrelanger Kampf beendet, der auch von Lobbyisten der IT-Branche geführt wurde. Die Gegner der Richtlinie hatten befürchtet, dass Software-Patente kleine Entwickler in den Bankrott treiben könnten. Hingegen versprachen sich die Befürworter, darunter grosse Konzerne, mehr Wettbewerb und Innovation. Einen neuen Anlauf für ein EU-Gesetz zu computerimplementierten Erfindungen schloss die EU-Kommission zunächst aus. «Wir betrachten den Gesetzgebungsprozess als abgeschlossen», sagte ein Sprecher von EU-Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy in Brüssel. «Wir respektieren den Willen des Parlamentes.»

Die Entscheidung bedeute jedoch, dass die rechtliche Uneinheitlichkeit zwischen den 25 EU-Mitgliedstaaten fortdauere. EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner versprach hingegen, die Behörde werde einen möglichen Antrag des Parlamentes zu einem neuen Vorschlag prüfen. Denkbar ist, dass die Abgeordneten die Gesamtharmonisierung des EU-Patentrechts fordern. Mit der gescheiterten Richtlinie sollte Software in der EU zwar nicht generell patentierbar werden. Nur wenn eine Erfindung einen technischen Mehrwert in computergestützten Geräten von der Waschmaschine bis zum Mobiltelefon hat, sollte ein Patent möglich sein.

Kritiker der Richtlinie befürchteten jedoch Schlupflöcher, die den Patentschutz von reiner Software zulassen könnten. Allen mittelständischen Unternehmen, die in der EU mit Elektronik in Maschinen, Autos und Mobilfunkgeräten Handel treiben würden, werde «ein Stein vom Herzen fallen», sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, Matthias Wissmann. Sie müssten nun nicht mehr fürchten, dass ihnen nach der Patentierung selbst einfachster Software-Elemente ein Klagebrief vom Patentanwalt ins Haus flattere. «Ein Alptraum ist vorbei», kommentierte ein Sprecher der «NoSoftwarePatents.com-Kampagne», die seit einem Jahr gegen das Vorhaben mobil gemacht hatte.

Der parlamentarische Berichterstatter Michel Rocard sprach nach der Abstimmung von einem «eindeutigen Signal». Die EU-Kommission habe die Änderungsanträge der Parlamentarier in erster Lesung nicht in die Richtlinie eingearbeitet. Dies sei eine «sarkastische Arroganz» der EU-Behörde, kritisierte er. EU-Parlamentspräsident Josep Borrell sah das Parlament in Fragen der Gesetzgebung gestärkt: «Wir haben deutlich gemacht, dass wir als verfassungsgebendes Organ gleichberechtigt sind und entscheiden», sagte er.