Mit einem vertraulichen Papier des ehemaligen Schweizer Botschafters Carlo Jagmetti, das die «SonntagsZeitung» im Januar 1997 veröffentlicht hatte, befasste sich am Mittwoch die Grosse Kammer des Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg. Der Journalist Martin Stoll hatte Auszüge aus einem als vertraulich klassifizierten Papier des damaligen Botschafters Jagmetti in den USA veröffentlicht. Das Dokument enthielt Strategien zur Lösung des Streits um die nachrichtenlosen jüdischen Vermögen. Vertreter der Schweiz und des Journalisten konnten sich am Mittwoch vor dem 17-köpfigen Gremium äussern. Der Kammer gehörte als Kenner dieses Dossiers auch deren ehemaliger Präsident, der Schweizer Luzius Wildhaber an, obwohl er die Alterslimite bereits erreicht hat.
Jagmetti geriet wegen des aggressiven Vokabulars unter Druck und trat wenige Tage später zurück. Das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) erstattete Anzeige wegen Verletzung von Artikel 293 des Strafgesetzbuchs, der die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen unter Strafe stellt. Martin Stoll wurde zu einer Busse von 800 Franken verurteilt. Im 2000 bestätigte das Bundesgericht das Urteil der Zürcher Justiz. Die vierte Abteilung des EGMR stellte dann aber im April 2006 fest, dass die Schweiz mit der Busse die in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Meinungsäusserungsfreiheit verletzt habe. Die Schweiz zog den Fall vor die Grosse Kammer weiter.
Mittwoch
07.02.2007