Frankreich und Luxemburg dürfen auf die Lieferung elektronischer Bücher, anders als bei Büchern aus Papier, keinen ermässigten Mehrwertsteuersatz mehr anwenden.
Die beiden Staaten wendeten auf die Lieferung elektronischer Bücher einen ermässigten Mehrwertsteuersatz an. In Frankreich liegt der Satz seit dem 1. Januar 2012 bei 5,5 Prozent, in Luxemburg bei 3 Prozent. In seinen Urteilen stellt der EU-Gerichtshof fest, dass Frankreich und Luxemburg dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Mehrwertsteuerrichtlinie 1 verstossen haben.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass ein ermässigter Mehrwertsteuersatz nur auf die in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewandt werden darf. Dieser Anhang nennt unter anderem die «Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern». Der Gerichtshof schliesst daraus, dass der ermässigte Mehrwertsteuersatz auf einen Umsatz anwendbar ist, der in der Lieferung eines Buches besteht, das sich auf einem physischen Träger befindet. Zwar benötigt ein elektronisches Buch, um gelesen zu werden, einen solchen physischen Träger (wie einen Computer), jedoch wird ein solcher Träger nicht zusammen mit dem elektronischen Buch geliefert, so dass die Lieferung solcher Bücher nicht in den Anwendungsbereich des genannten Anhangs III fällt.
Ferner stellt der Gerichtshof fest, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie die Möglichkeit ausschliesst, einen ermässigten Mehrwertsteuersatz auf «elektronisch erbrachte Dienstleistungen» anzuwenden. Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt die Lieferung elektronischer Bücher eine solche Dienstleistung dar. Der Gerichtshof verwirft das Argument, wonach die Lieferung elektronischer Bücher eine Lieferung von Gegenständen (und nicht eine Dienstleistung) darstelle. Denn allein der physische Träger, der das Lesen elektronischer Bücher erlaubt, kann als ein «körperlicher Gegenstand» angesehen werden, aber die Lieferung elektronischer Bücher schliesst einen solchen Träger nicht ein.
Die Kommission beanstandete ausserdem, dass Luxemburg einen stark ermässigten Mehrwertsteuersatz von 3 Prozent anwandte, obwohl die Mehrwertsteuerrichtlinie Mehrwertsteuersätze von unter 5 Prozent grundsätzlich verbiete. Insoweit erinnert der Gerichtshof daran, dass ein Mitgliedstaat gemäss der Mehrwertsteuerrichtlinie auch ermässigte Mehrwertsteuersätze von unter 5 Prozent anwenden kann, sofern die ermässigten Mehrwertsteuersätze insbesondere mit den Rechtsvorschriften der Union im Einklang stehen. Da der Gerichtshof aber zuvor bereits festgestellt hat, dass die Anwendung eines ermässigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung elektronischer Bücher nicht mit der Mehrwertsteuerrichtlinie im Einklang steht, ist diese Voraussetzung der Vereinbarkeit mit den Rechtsvorschriften der Union nicht erfüllt, so dass Luxemburg auf die Lieferung elektronischer Bücher nicht den stark ermässigten Mehrwertsteuersatz von 3 Prozent anwenden darf.
Die Urteile vom Donnerstag hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, einen ermässigten Mehrwertsteuersatz für Bücher auf physischen Trägern, wie insbesondere Bücher aus Papier, vorzusehen.