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Freitag
11.11.2011

Bislang kannte man Esther Wyler vorwiegend als eine der Angeklagten im sogenannten Zürcher Whistleblower-Prozess und durch die Verleihung des Publikumspreises Prix Courage 2010 des «Beobachters». Anfang November hat sie den Weg in die berufliche Selbstständigkeit gewagt und versucht mit ihrem Ein-Frau-Betrieb «esther wyler beratungen», Frauen und Männer zu unterstützen, die an ihrem Arbeitsplatz in eine ähnlich brisante Lage geraten sind wie einst Esther Wyler.

Die Beratungsfirma hat ihren Sitz im bernischen Urtenen-Schönbühl. Doch der Standort ist sekundär, schliesslich hat sich die 52-Jährige zum Ziel gesetzt, dereinst in der ganzen Deutschschweiz als Whistleblower- und Mobbing-Beraterin tätig zu sein und Fachreferate zu jenem Themenkomplex halten zu können. Am Donnerstag erklärte sie dem Klein Report, warum ihr Geschäftskonzept «leider» Erfolg versprechend ist und ob sie glaubt, ob ihre Medienbekanntheit für das Beratungsbüro eher Vor- oder Nachteil ist.

«Zur Geschäftsgründung hat mich in erster Linie die Erkenntnis bewogen, als Whistleblowerin absolut keine Chance mehr zu haben, auch nur irgendeine Stelle zu finden», sagte sie gegenüber dem Klein Report. Im Frühling dieses Jahres sei sie «nach weiteren negativen Erfahrungen in der Gemeinde Ostermundigen», in der sie eine Stelle im Sozialdienst hatte, zum Schluss gekommen, dass der Weg in die Selbstständigkeit nach «Hunderten Stellenbewerbungen» optimal für sie wäre. «Ich weiss, dass ich fachlich gut qualifiziert und ein guter Teamplayer bin», erklärte sie. Und im Bereich Mobbing und Whistleblowing sei in der Schweiz Handlungsbedarf angebracht. Schliesslich würden Opfer nicht nur am Arbeitsplatz, sondern «vom System» ausgegrenzt.

«Die Art und Weise, wie ich Whistleblower oder solche, die es werden könnten, beraten und unterstützen kann, gibt es in der Schweiz in dieser Form bislang nicht», erklärte Wyler dem Klein Report. Sie könne die Fälle sowohl aus der Perspektive einer Juristin wie auch aus der Sicht einer einst selber Betroffenen betrachten. «Keiner und keine weiss so gut wie ich, welche Fragen solche Menschen haben, auf welche Schwierigkeiten sie stossen und welche Herausforderungen auf sie zukommen», sagte Wyler. Sie wisse, wie es ist, von den Medien belagert zu werden oder mit dem politischen System der Schweiz in Konflikt zu geraten.

Auf die Frage, ob ihre Medienbekanntheit eher Vor- oder Nachteil sei, erklärte sie, dass sie das noch nicht wisse. Sie habe aber vor, ihren Bekanntheitsgrad zu nutzen und Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit für die Sache der Whistleblower zu leisten. Sie möchte die Öffentlichkeit ebenso wie Führungskräfte in Verwaltung und Privatwirtschaft auf das Thema sensibilisieren. Gelinge dies, werde es irgendwann sonnenklar sein, dass es sich politische Mandatsträgerinnen und Kadermitglieder von Privatunternehmen ganz einfach nicht mehr leisten können, nach Gusto zu entscheiden, was sie transparent machen und was nicht.

Wie aber will Esther Wyler in ihren Beratungsgesprächen vorgehen? Sie erklärte dem Klein Report: «Im ersten Gespräch schaffe ich zuerst einmal ein Vertrauensverhältnis, das für jede weitere Zusammenarbeit unabdingbar ist», so Wyler. Anschliessend werde eine Situationsanalyse vorgenommen. «Ich habe in den letzten Jahren ein Gefühl dafür entwickelt, dass nicht jeder Missstand auch wirklich einer ist, auch wenn er als solcher wahrgenommen wird», sagte Wyler weiter. «Ich werde auch unter keinen Umständen Menschen zu etwas ermutigen, was unabsehbare Folgen für sie haben könnte», so Wyler. Wenn sie indes eine Situation als wirklich gravierend einstufe, werde das Problem sicher nicht in drei Beratungen abgehandelt werden. Sie verfüge für den entscheidenden Moment über ein Netz von Fachleuten, die sie hinzuziehen könne. «Rechtsanwältinnen sind zwar wichtig, aber an sich erst dann, wenn es zu gerichtlichen Verfahren kommt», so Wyler.

«Ich gehe nicht davon aus, dass öffentliche Verwaltungen meine ersten Kunden sein werden», erklärte sie mit einem Seitenhieb an ihre ehemaligen Arbeitgeber. Vielmehr rechnet sie damit, von Bildungsinstitutionen, die sich mehr und mehr für die Thematik interessieren würden, als Fachreferentin engagiert zu werden.

Derweil läuft ihr eigenes Verfahren weiter. «Wir rechnen Anfang 2012 mit einem Bundesgerichtsentscheid», sagte sie dem Klein Report. Eine absolute Sicherheit, ob der Entscheid nicht doch noch früher - oder allenfalls später - falle, habe man aber bekanntlich nie.