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Montag
16.06.2025

Medien / Publizistik

Razzia fand vor zwei Wochen im Büro von «Inside Paradeplatz» und bei Lukas Hässig an der Privatadresse statt: «Die Hausdurchsuchungen verliefen ohne Zwischenfälle.»

Razzia fand vor zwei Wochen im Büro von «Inside Paradeplatz» und bei Lukas Hässig an der Privatadresse statt: «Die Hausdurchsuchungen verliefen ohne Zwischenfälle.»

Es war eine der spektakulärsten Recherchestorys der jüngeren Schweizer Mediengeschichte.

Der Zürcher Journalist Lukas Hässig und sein Online-Portal «Inside Paradeplatz» deckten vor neun Jahren die Machenschaften von Raiffeisenchef Pierin Vincenz und dessen langjährigem Vertrauten Beat Stocker auf.

Nun kehrte die Staatsanwaltschaft den Spiess um – und veranlasste eine Hausdurchsuchung in den Büroräumlichkeiten von «Inside Paradeplatz» beim Escher-Wyss-Platz in Zürich und in Hässigs Privatwohnung. Verdacht: Verletzung des Bankgeheimnisses.

Und das mit gütiger Mithilfe des Schweizer Parlaments, das 2015 in einzigartiger Weise den Artikel 47 des Bankengesetzes ausgedehnt und somit auch gegen Journalisten verschärft hat. Denn seit diesem Zeitpunkt wird auch bestraft, wer ein «offenbartes Geheimnis weiteren Personen offenbart oder für sich oder einen anderen ausnützt», also weit übers Amts- oder Berufsgeheimnis hinaus.

Hässigs Berichterstattung, die einen der grössten Stürme auf dem Bankenplatz Zürich auslöste, stammt aus dem Jahr 2016 und basiert offenbar auf internen Dokumenten der Bank Julius Bär. So zumindest kommuniziert es Hässig auf «Inside Paradeplatz» am Montag.

Die Informationen deckten auf, wie Pierin Vincenz und Beat Stocker private Investitionen tätigten, bevor diese in von Raiffeisen kontrollierte Unternehmen eingebracht wurden.

Die Artikel hatten weitreichende Folgen: Sie führten unter anderem zu einer Strafanzeige und letztlich zu einer Verurteilung von Vincenz und Stocker durch das Zürcher Bezirksgericht im Jahr 2022 – ein Verfahren, das derzeit in Revision ist.

Im Zentrum der aktuellen rechtlichen Auseinandersetzung steht aber eben genau nicht das Verhalten von Vincenz und Stocker, sondern die Frage, ob der Journalist durch die Veröffentlichung der sensiblen Bankdaten das Bankgeheimnis (Artikel 47 Bankengesetz) verletzt habe. Also der Überbringer der schlechten Nachricht soll bestraft werden.

Aus diesem Grund hatte sich Beat Stocker seit Jahren für eine strafrechtliche Verfolgung des IP-Journalisten eingesetzt. Und nun hat der erstinstanzlich Verurteilte einen Treffer gelandet, der aber schwer in Richtung Pyrrhussieg deutet. Es gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Nachdem die Zürcher Staatsanwaltschaft das Verfahren zunächst zweimal sistiert hatte, erhob Beat Stocker jeweils erfolgreich Einsprache beim Obergericht. Dieses urteilte im Frühjahr 2024, dass der Journalist mutmasslich auf vertrauliche Unterlagen zurückgegriffen habe – auch wenn er diese möglicherweise anonym erhalten habe.

Im Zuge dieses Verfahrens kam es am 3. Juni 2025 zu einer von der Kantonspolizei Zürich durchgeführten Razzia. Dabei wurden elektronische Geräte und Unterlagen sichergestellt, die nun – unter Siegel – der Beurteilung durch einen Zwangsmassnahmenrichter unterliegen.

Der Fall wirft grundlegende Fragen zur Pressefreiheit, zum Quellenschutz und zum Spannungsverhältnis zwischen Strafverfolgung und journalistischer Arbeit auf. Er ist nicht nur rechtlich heikel, sondern auch politisch brisant, da er an Zeiten erinnert, in denen Redaktionen in der Schweiz durchsucht wurden – zuletzt in den 1990er-Jahren.

Die Entscheidung des Zwangsmassnahmenrichters über die Verwertbarkeit der sichergestellten Daten wird richtungsweisend sein nicht nur für den künftigen Umgang mit investigativem Journalismus im Finanzbereich.

«Das ist ein grosser Fall. Die Rolle der Medien als vierte Gewalt im Staat steht faktisch auf dem Spiel», erklärte Lukas Hässig auf Anfrage des Klein Reports.

Er selber sei dezidiert der Meinung, dass es für eine offene Gesellschaft einen freien und aufmerksamen Journalismus brauche.

Hässig stellt eine rhetorische Frage: «Soll man sich als Journalist noch den schwierigen und heiklen Themen annehmen – oder werden wir uns künftig auf Schönwetter- und Wohlfühl-Geschichten beschränken müssen?».

Hässig geht so weit, dass er von «Täterschutz» spricht, sollte Beat Stocker recht erhalten.

Zu seiner persönlichen Befindlichkeit sagt er gegenüber dem Klein Report: «In ein solches Verfahren war ich noch nie involviert. Obwohl die Durchsuchungen korrekt und sauber abliefen, ist es eine unangenehme Situation.» Das gehe ihm nah.