Daniel Cohn-Bendit hatte nicht nur die Ehre, vom SRG-Generaldirektor Roger de Weck bei der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises mit einer Laudatio gelobt zu werden, er moderierte als Gastmoderator auch die «Sternstunde Philosphie» bei der SRG. Das war einem Zuschauer zu viel, denn der Grünen-Politiker Bendit war in Deutschland mit Pädophilievorwürfen konfrontiert worden. Er reichte Beschwerde beim Ombudsmann Achille Casanova ein.
Die Äusserungen Bendits, die dieser in den Siebziger- und Achtzigerjahren über Intimitäten mit Kindern gemacht hatte, hatten bereits im Vorfeld der Verleihung des Theodor-Heuss-Preises für Wirbel gesorgt. Denn Andreas Vosskuhle, der Präsident des deutschen Verfassungsgerichts, hätte eigentlich die Laudatio halten sollen, zog sich aber nach Bekanntwerden des Preisträgers wegen dessen Aussagen zurück.
Der Zuschauer, der sich im April bei Casanova beschwert hatte, hält es für «eine Zumutung und Provokation ohnegleichen, dass Cohn-Bendit vier Wochen, nachdem der Nationalrat in Bern zur Pädophilen-Initiative des Komitees `marche blanche` Ja gesagt hat, eine wichtige Sendung des Fernsehens leiten soll». Er bat die Ombudsstelle, «diese personelle Besetzung sofort rückgängig zu machen».
Franziska Baetcke, Programmleiterin Radio SRF 2 Kultur, gab an, dass die Abteilungsleitung SRF Kultur und die verantwortliche Redaktion «Sternstunden» die aktuelle Debatte um die Pädophilieverwürfe gegen Daniel Cohn-Bendit sehr aufmerksam beobachten würden.
«Die Vehemenz, mit der die Debatte insbesondere auch in den Onlinemedien geführt wird, hat auch uns nachdenklich gemacht», so Baetcke in ihrer Stellungnahme. «Allerdings hat die Debatte bis zum heutigen Tag keine neuen Erkenntnisse hervorgebracht, die das SRF an der Verpflichtung von Daniel Cohn-Bendit als Gastmoderator für drei Ausgaben der `Sternstunde Philosophie` zweifeln lassen würden.»
Ombudsmann Achille Casanova hält im Schlussbericht fest, dass mit der Beschwerde eine «wichtige, grundsätzliche Frage» aufgeworfen worden sei: «Ist es zulässig, dass das SRF einen Gastmoderator engagiert, der als Befürworter von Pädophilie aufgetreten sein soll?» Die Ombudsstelle könne aber die Pädophilievorwürfe gegen Daniel Cohn-Bendit nicht bewerten oder die Frage beantworten, ob es opportun sei, einen sicher fachlich qualifizierten, aber mit derart schwerwiegenden Vorwürfen belasteten Gastmoderator zu engagieren.
Casanova ist der Meinung, dass es sich bei der Verpflichtung von Bendit um einen «an sich heiklen Entscheid» gehandelt habe. Die Ombudsstelle habe aber lediglich zu beurteilen, ob in einer Sendung die programmrechtlichen Bestimmungen - insbesondere das Sachgerechtigkeitsgebot - verletzt worden seien oder nicht. Er kommt deshalb zum Schluss, dass der Entscheid «rechtlich zulässig» sei und «in der alleinigen Verantwortung der Macher von `Sternstunde Philosophie`» liege.