Die Besitzer der «Basler Zeitung» (BaZ) haben bis heute die Volksseele der Basler nicht verstanden. Ein Kommentar von Klein-Report-Redaktor Benjamin Shuler.
«Basel tickt anders» schlagzeilte vor einigen Jahren Basel Tourismus und brachte damit das Selbstverständnis einer Stadt derart gekonnt auf den Punkt, dass mit dem Claim der Traum jedes Texters geschah: Er wurde zum geflügelten Wort.
Dennoch scheinen sich die Besonderheiten dieser Stadt noch nicht bis ins Tessin oder nach Herrliberg herumgesprochen zu haben. Anders lässt sich das mehr als unsensible Agieren der BaZ-Besitzer (und das anschliessende Staunen ob der heftigen Reaktionen darauf) nicht erklären.
Die Basler Zeitungsleser jammerten bereits über die BaZ, als diese noch im Besitz der Familie Hagemann war, und wünschten sich die frühen 1970er-Jahre zurück, als man in Basel noch die Auswahl hatte zwischen der «National Zeitung» und den «Basler Nachrichten». Womit schon zwei typische Eigenschaften der Bebbi-Seele aufgezeigt wären: die grosse Lust am Schnöden und ein Hang zur Nostalgie.
Und so wünscht man sich heute am Rheinknie die Ära, als die BaZ noch im Besitz einer alteingesessen Basler Familie war, zurück. Dennoch mochte sich von den viel gepriesenen Basler Mäzenen und Mäzinnen niemand verlegerisch engagieren, als die Basler Zeitung Medien AG nach der Jahrtausendwende finanziell in die Bredouille geriet. Lieber finanzierte der Basler «Daaig» das neue Schauspielhaus oder neue Spieler des FC Basel.
Gross war dann das Staunen und das Wehklagen, als die BaZ plötzlich nicht mehr in Basler Händen war. Woran sich eine weitere Eigenart der Bevölkerung am äussersten Zipfel der Schweiz zeigt: eine einzigartige Mischung aus Weltläufigkeit und Lokalchauvinismus. Man treibt zwar mit der grössten Selbstverständlichkeit Handel mit der ganzen Welt, steht aber dem Rest der Schweiz mit Skepsis und einer gewissen Fremdheit gegenüber (was allerdings auf Gegenseitigkeit beruht).
Endgültig um die Contenance der Basler war es geschehen, als dann auch noch plötzlich der Name Blocher herumgeisterte. Zwar ist Basel nicht mehr eine «SVP-freie Zone», wie es sich der Bildungsdirektor Christoph Eymann vor einigen Jahren wünschte, dennoch konnte die nationalkonservative Partei in keinem anderen Deutschschweizer Kanton derart schlecht Fuss fassen wie am Rheinknie: Bei den eidgenössischen Wahlen im vergangenen Herbst lag der Wähleranteil der SVP bei lediglich 16,5 Prozent. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Christoph Blocher ausgerechnet hier den Einstieg ins Mediengeschäft wagte. Dass ihm die mehr als delikate Ausgangslage bewusst war, zeigt sein nicht ungeschickter, aber schlussendlich doch erfolgloser Versuch, sein Engagement bei der BaZ zu vertuschen.
Denn - und damit kommen wir zur letzten, für die zu untersuchende Angelegenheit aber wohl wichtigste Eigenart des homo basilensis - die Basler Bevölkerung verfügt über eine Fähigkeit zum zivilen Ungehorsam und zur kollektiven Selbstorganisation wie wohl keine andere Schweizer Stadt. Das mag daran liegen, dass man den kreativen Protest gegen bestehende Verhältnisse alljährlich an der Basler Fasnacht trainiert.
Tito Tettamanti, Christoph Blocher und Martin Wagner (ein Baselbieter und damit ein Fremder in Basel) mögen nach dem Kauf der Basler Zeitung Medien AG zwar mit einigen kritischen Stimmen aus dem linken Lager gerechnet haben, von der Heftigkeit der Reaktionen bis weit ins bürgerliche Lager hinein wurden sie jedoch offensichtlich überrumpelt. Auch wenn die Proteste nicht frei von Hysterie waren («Rettet Basel») und teilweise Züge einer Hexenjagd - oder in den Worten von Moritz Suter: «Mobbing» - annahmen, waren sie hochwirksam und führten nach nur wenigen Monaten zur Installation von Moritz Suter, der als Basler Integrationsfigur und verlegerisches Feigenblatt die Gemüter beruhigen sollte. Dass auch dieser etwas gar durchsichtige Schachzug unsorgfältig geplant und letztendlich zum Scheitern verurteilt war, ist seit einigen Wochen klar.
Eine Zeitung ist ein hochemotionales Produkt und die Glaubwürdigkeit ihr höchstes Gut. Dennoch scheint Tito Tettamanti den Unterschied eines Verlages zu einer Schraubenfabrik nach wie vor nicht wirklich begriffen zu haben. Und auch die Basler Volksseele scheint er nach wie vor nicht einschätzen zu können (was allerdings nicht weiter erstaunt, denn er lässt sich kaum mal am Rheinknie blicken). Anders lässt sich nicht erklären, weshalb die Medienkonferenz anlässlich der Gründung der MedienVielfalt Holding nicht in Basel, sondern ausgerechnet in Zürich abgehalten wurde.
Dem neuen Verwaltungsratspräsidenten Filippo Leutenegger sei dringend geraten, die Geschicke BaZ nicht von seinem Büro in Zürich aus zu dirigieren, sondern aktiv und vor Ort um das Vertrauen der Basler Bevölkerung zu werben. Nur so lässt sich ein Exodus zur neuen «bz Basel» wohl noch verhindern.