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Montag
22.09.2003

«Die Metamorphose der Weltwoche» - unter diesem Titel ist dieser Tage eine Facharbeit der Studenten der Uni Bern, Sabine Gorgé und Joël Widmer, erschienen, die sich den Veränderungen der «Weltwoche» von einer traditionellen Wochenzeitung zu einem wöchentlichen Magazin unter der einstigen Leitung von Fredy Gsteiger und der heutigen Leitung von Roger Köppel widmet.Gegenübergestellt wurden Ausgaben von 1997 bis 2001 jenen von 2001 bis 2003. Besonderes Augenmerk wurde auf Konzept, Produkt, Redaktion, Umfeld und Qualität gelegt, wie die Autoren am Montag mitteilten.

Fazit: «Die beiden Konzepte sind sehr unterschiedlich.» Fredy Gsteiger habe sich klar an der Tradition der Wochenzeitung im deutschsprachigen Raum mit klassischen Zeitungsressorts orientiert. «Die Weltwoche sollte Orientierung liefern, Analysen bieten, das Herstellen von Zusammenhängen ermöglichen und Interpretationshilfe leisten, eine Lesezeitung sein und einen klaren politischen Standpunkt haben.» Gsteiger forderte, bedingt durch den steigenden Konkurrenzdruck, andere Themen und Themenzugänge zu wählen. Roger Köppel hingegen habe aus der Wochenzeitung ein Wochenmagazin nach angelsächsischem Vorbild gemacht. Die klassischen Ressorts fielen weg, das Magazin wurde in vier Teile gegliedert.

Die Redaktion unter Fredy Gsteiger war nach den klassischen Ressorts strukturiert. Auch die Hierarchie könne als klassisch bezeichnet werden. Roger Köppel hingegen habe die Struktur der Redaktion stark auf sich selbst zugeschnitten. Die einzelnen Ressorts mit Ressortleitern existieren zwar noch, doch haben diese nicht mehr die Verantwortung darüber, welche Themen und Artikel ins Magazin kommen. Diese Verantwortung liegt bei der Chefredaktion, sprich also Roger Köppel. Es scheint, so die Autoren, Köppels Ziel sei, eine kleine Produzentenredaktion zu schaffen und daneben viele feste und freie Autoren zu pflegen. Die Recherchemöglichkeiten werden von den befragten Journalisten unter beiden Chefredaktoren als etwa gleich gut beurteilt. Laut den Resultaten der Mitarbeiter-Befragung übt aber Roger Köppel mehr Druck auf die Journalisten aus als Fredy Gsteiger, Artikeln eine bestimmte Richtung zu geben.

Die Inhaltsanalyse habe bestätigt, dass beide Chefredaktoren die Auslandberichterstattung als zentral erachten. Mit knapp 20% macht sie den grössten Teil der «Weltwoche» aus. Das zweithäufigste Thema war in beiden Untersuchungszeiträumen die Kultur. Unter Köppel berichtet die «Weltwoche» aber prozentual klar mehr über Kultur. Die Themenverteilung habe sich mit der neuen Magazin-Struktur nicht radikal verändert. In der neuen «Weltwoche» finden sich zudem zwischen den einzelnen Ausgaben grössere Unterschiede in der Themengewichtung als in der alten. Jedoch haben die Autoren der Studie «erstaunliche Unterschiede beim Umfang der Ressortthemen festgestellt». Entgegen den Beteuerungen von Roger Köppel lasse sich die neue «Weltwoche» immer noch etwa gleich stark von der Wochenaktualität leiten wie die alte. In den Bereichen Inland und Ausland sei die neue «Weltwoche» gar noch wochenaktueller geworden. Der deutlichste Unterschied zwischen Zeitung und Magazin zeige sich beim Anteil der Bilder. Die neue Weltwoche weise einen höheren Bildanteil auf. Das Konkurrenzumfeld war und ist für beide Chefredaktoren in etwa das gleiche.

Die Autoren erlauben sich jedoch keine abschliessende Aussage, welche «Weltwoche» qualitativ besser war. Die Inhaltsanalyse habe jedoch gezeigt, dass die «Weltwoche» unter Köppel im Inland klar mehr investigativen Journalismus biete. Hingegen sei die Qualität als Leitmaxime bei Gsteiger stärker verankert gewesen. Gsteiger formulierte ein redaktionelles Leitbild und sah sich selber klar in der Rolle des Qualitätsmanagers. Köppel hält nichts von formalisierten Leitbildern und erklärt, dass der oberste inhaltliche Qualitätsmanager der Ressortleiter sei.

Bei der Mitarbeiterpolitik zeigt sich, dass Köppel der Rekrutierung der Mitarbeiter eine entscheidende Bedeutung beimisst und auch eine konsequentere Anstellungspolitik verfolgt als Gsteiger. Die Arbeitszufriedenheit war unter Gsteiger leicht höher, als sie es unter Köppel ist. Im Rahmen der Qualität des Prozesses sind die Kontrollen im Produktionsablauf (Gegenlesen etc.) bei beiden Chefredaktoren klar definiert.

Abschliessend können die dargelegten Resultate dahingehend interpretiert werden, so die Autoren der Studie, dass Gsteiger trotz einer qualitativ ansprechenden Zeitung die Krise nicht abwenden konnte, weil sich das traditionelle Konzept der Wochenzeitung in der Schweiz scheinbar totgelaufen hatte. Köppel scheint dieses Problem erkannt zu haben und erreicht mit einer klaren formalen Zäsur, dass die «Weltwoche» wieder an Auflage zulegen kann. Diese formale Zäsur und nicht ein qualitativer Unterschied, scheint der entscheidende Faktor für die sich anbahnende Trendwende zu sein.