Content:

Mittwoch
07.06.2017

Medien / Publizistik

Der EGMR in Strassburg

Der EGMR in Strassburg

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) legt seine schützende Hand auf das Geheimnis von Strafuntersuchungen. Dieses sei wichtiger als die Pressefreiheit.

Ein Journalist hatte gegen die Schweizer Justiz geklagt, weil er aufgrund seiner Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren zu einer Geldbusse verurteilt worden war. Das Strassburger Gericht begründete sein Urteil damit, dass ein öffentliches Interesse an der Verletzung des Geheimnisses von Strafuntersuchungen fehlte.

Der Kläger ist ein in der Schweiz lebender Schweizer Journalist. Im Januar 2009 hatte er in einer Wochenzeitung einen Artikel über das strafrechtliche Vorgehen gegen einen Immobilienverwalter publiziert, dem Straftaten im Zusammenhang mit Pädophilie zur Last gelegt wurden. Im Beitrag, der in Form eines Interviews mit dem nur schlecht anonymisierten Vater eines mutmasslichen Opfers erschien, wurden Details zu den konkreten Vorwürfen im Prozess preisgegeben.

Konkret kritisierte der Journalist, dass der Angeklagte auf freien Fuss gesetzt worden war. Dies untermauerte er, indem er Teile aus der Klageschrift zitierte, die sich gegen den Entscheid des Untersuchungsrichters zur Haftentlassung richteten.

Nach der Veröffentlichung leitete die Justiz ein Strafverfahren gegen den Journalisten ein. Sie warf ihm vor, Fakten publiziert zu haben, die durch das Geheimnis von strafrechtlichen Untersuchungen geschützt sind.

Der Journalist seinerseits empfand die Geldstrafe von 5000 Franken, zu der er schliesslich verdonnert wurde, als unverhältnissmässigen Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäusserung. Durch alle gerichtlichen Instanzen hindurch beschwerte er sich, bis zuletzt im Herbst 2012 am Bundesgericht - ohne Erfolg.

Jetzt ist er auch am EGMR abgeblitzt. Die Strassburger Richter urteilten laut der am Dienstag veröffentlichten Begründung «einstimmig», dass die Meinungsäusserungsfreiheit des Klägers durch die Schweizer Gerichte nicht verletzt worden sei. Diese hätten eine sorgfältige Interessenabwägung vorgenommen, vor allem seien die «Individualinteressen der beiden minderjährigen Opfer» berücksichtigt worden.

Laut dem EGMR haben die Schweizer Strafbehörden ihren Ermessensspielraum nicht überschritten. Die Geldstrafe im Sinne der Meinungsäusserungsfreiheit sei «verhältnismässig» gewesen.