Neben Medien- und Verlagsstrategien gings bei der Dreikönigstagung am Rande auch um Inhalte oder die fast zaghaft aufgeworfene Frage: «Gibt es den politischen Journalismus noch?» Oswald Sigg, Vizekanzler und Sprecher des Bundesrats, lieferte dazu eine vornehm zurückhaltende, aber erfahrungsfundierte Einschätzung. Die Frage setze freilich voraus, so Sigg, «dass es den politischen Journalismus gab». Vielleicht habe sich ja nur das Verständnis davon geändert, liess er offen.
Der Bundesratssprecher, der wiederholt und ausdrücklich betonte, «nur im eigenen Namen» zu sprechen, verwies auf eine Zeit, als die Presse noch als «Bannwald der Demokratie» verstanden wurde. Die Presse in der Schweiz war mit rund 350 Zeitungstiteln «nicht nur ein zentraler Teil der politischen Kultur», sondern auch «Trägerin des politischen Journalismus». Die Vielfalt von parteilich gebundenen und unabhängigen Zeitungen «belebte letztlich die öffentliche Diskussion, zu welcher Aufgabe sich die Verleger noch bekannten», erinnerte Sigg die versammelte Verlegerschar an ihre öffentliche Verantwortung.
Mit der Konzentration und den veränderten Marktbedingungen «wird auch insgesamt weniger über Politik berichtet». Als Belege für diesen Hinweis nannte der erfahrene Profi das Verschwinden von fünf Schweizer Nachrichtenagenturen und den «aufkommenden Boulevard, der sich von der Politik abwendet». Ausserdem sei die Rubrik Inland «in praktisch allen Zeitungen ausgedünnt» worden. Der «Kampf um die Aufmerksamkeit des Medienpublikums» wird nach Siggs Einschätzung zunehmend «durch brachiale Marketingaktionen bestritten». Als Fazit konstatierte der Regierungssprecher: «Heute erfüllen die erfolgreichsten Produkte auf dem Zeitungsmarkt zwei wirtschaftliche Kriterien: Sie sind gratis erhältlich und enthalten im redaktionellen Teil so wenig Politik wie nur möglich.» Als Einschränkung nannte der geübte Relativierer Sigg die Sonntagsblätter, mit denen «die Verleger einen gewissen Akzent gegen diese ganze Entwicklung geschaffen haben», die «heute aber die Politik-Defizite der Tages- und Gratispresse nicht auszugleichen vermögen».
Dienstag
09.01.2007