Content:

Sonntag
05.11.2006

«Identitätsmanagement und Vertrauen» war das Hauptthema beim diesjährigen ICT-Workshop der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) in Münchenwiler. Im Vordergrund der Tagung mit etwa 40 Fachleuten aus der Schweiz, Deutschland und Österreich stand die Schwierigkeit, den Begriff Identität zu definieren und ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln. Digitale Identitäten sind wesentliche Voraussetzungen für den Bankverkehr, bei elektronischen Geschäftsabwicklungen (E-Business), im Gesundheitsbereich (E-Health) oder auch bei digitalen Behördengängen (E-Government) wie bei der Wahrnehmung von Bürgerrechten via elektronischen Kanälen (E-Voting). Wolf Ludwig war an der Veranstaltung, die am Samstag zu Ende ging, für den Klein Report vor Ort.

Neben einer Gesamtbetrachtung des Themas erläuterte Heinz Gutscher, Universität Zürich, die subtilen Wechselwirkungen zwischen «Vertrauen» (Trust) und «automatisierter Zuversicht» (Confidence). «Social Trust», so der Wissenschaftler, gründe eher auf einem «Bauchwehvertrauen» und schliesse das «Bewusstsein um Verwundbarkeit» ein, während «Confidence auf positiver Erfahrung und Zuversicht aufbaut, dass schon nichts schief gehen wird». Diese Faktoren sind wesentliche Voraussetzungen für eine Vertrauensbildung, wie zum Beispiel die Gewährleistung der Öffentlichkeit gegenüber Betreibern und Technologien.

Reinhard Posch, Projektleiter der Bürgerkarte in Österreich, berichtete über die Voraussetzungen zur Entwicklung und Einführung einer «Citizens Card» im Nachbarland. Diese sei ab November 2000 bis 2004 aus Verbindungen privatwirtschaftlicher Initiativen und der Verwaltung entstanden. Die Bürgerkarte, die alle wesentlichen Anforderungen an digitale Identitäten erfüllt, kann sowohl in einer Bank-, als auch in einer beliebigen Sim-Karte untergebracht werden. Die drei Funktionsbereiche der digitalen Karte, so Posch, «können von Unbefugten nicht miteinander verknüpft werden», daher hätten sich aus Sicht des Datenschutzes keine neuen Probleme ergeben. Da ihre Technologie auf Open Source basiere, sei das Signatur-System ausserdem kompatibel mit ähnlichen Karten in anderen Ländern.

Christian Weber, Bereichsleiter im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), erläuterte, dass die Schweiz vor fünf Jahren ebenfalls an einem vergleichbaren Karten-Modell arbeitete, was 2004 politisch von Bundesrat Christoph Blocher gestoppt wurde. Durch diese amtliche Blockade habe die Schweiz im Bereich Identitätsmanagement enorm viel Zeit und Expertise eingebüsst. Die Fachleute waren sich in Münchenwiler einig, «dass die Schweiz in allen relevanten ICT-Bereichen über die nötige Kompetenz verfügt, es aber bei den Umsetzungen an Entschlossenheit und Führung in Politik und Wirtschaft fehlt». Raymond Morel, Leiter der ICT-Kommission der SATW, forderte die Verantwortlichen auf, «der Wissensgesellschaft Schweiz endlich den Stellenwert zu geben, der ihr zusteht, sonst werden wir durch blosses Abwarten abgehängt».