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Dienstag
05.03.2013

Das klare Nein der Bündner zur Olympia-Kandidatur zeigt, wie kurz das Gedächtnis der Politiker und Sportfunktionäre ist und wie wenig lernfähig sie sind. Dabei denke ich weniger an Gian Gilli und Christian Gartmann. Sie haben mit grossem Einsatz einen guten Job gemacht und den Anteil der Nein-Stimmen auf 53 Prozent gedrückt. In der letzten Olympia-Abstimmung betrug er nämlich 77 Prozent. Gedanken zum Olympia-Nein von Hans Peter Danuser von Platen. Der langjährige Kurdirektor von St. Moritz zieht ein Fazit aus der zweiten gescheiterten Olympia-Kandidatur.

Und genau hier setzt meine Kritik an den Regierungs- und Sportvertretern von Chur und Bern an. Wie kann man in der gleichen Sache bei der gleichen Bevölkerung eine Abstimmung wagen, ohne die Gründe für die damalige 4:1 Niederlage vorher genau zu analysieren? Und wie kann man ein Konzept vorschlagen, das die gesamten Events und Infrastrukturen der Spiele, die bisher den Grossraum von Städten wie Vancouver, Turin oder Salt Lake City beanspruchten, in die drei kleinen Orte Davos, St. Moritz und Lenz stopfen, im Hochsaisonmonat Februar? Sollten die dortigen Einheimischen und Stammgäste etwa für drei Wochen evakuiert werden?

Dazu waren verschiedene Infrastrukturen als Provisorien geplant, die nach den Spielen wieder abgebrochen werden sollten. Dabei wartet Landquart/Igis seit Jahrzehnten auf eine dringend benötigte Eis- und Mehrzweckhalle, und Chur kann sein längst geplantes Sportstättenkonzept aus finanziellen Gründen nicht realisieren. Kunststück, dass das dortige Stimmvolk eine Olympia-Kandidatur bachab schickt, die ihnen ausser Zusatzverkehr nichts Bleibendes bringt. Und die Stimmen des Churer Rheintals sind im Kanton matchentscheidend.

Oder die ganzen Jäger, Fischer und Naturliebhaber, die nicht einsehen, warum in die geschützte Zone rechts des Inns bei St. Moritz eine Schneise für die provisorische Grossschanze in den Wald gefräst werden soll, obwohl in Einsiedeln solche Anlagen längst stehen und auf vermehrte Benützung warten.

Hauptgrund für die damaligen 77 Prozent Nein-Stimmen war klar die grosse Belastung, die Olympische Spiele heute für Mensch und Natur bringen. Darum war die Idee «weisser Spiele» an sich gut - nur leider nicht zu Ende gedacht. Weiss sind die Spiele eh nur dort, wo die Disziplinen draussen in der Winterlandschaft stattfinden. Das sind mittlerweile weniger als die Hälfte der Wettkämpfe. Warum also nicht auf die Gegner zugehen mit dem Vorschlag, die Belastung zu halbieren und nur die Outdoor-Wettkämpfe in den Bergen durchzuführen. Die Indoor-Anlässe könnten von Ems an abwärts ebenso gut im Tal stattfinden. Zu dieser Art «wirklich weisser Spiele» hätten manche Skeptiker Hand und Unterstützung geboten - nicht zuletzt in Landquart und Chur.

Ich hatte diese Lösung im Februar 2012 öffentlich vorgeschlagen, da ich in meinen 30 Jahren als Kurdirektor in Sachen Olympia/Graubünden nur negative Volksentscheide erlebt hatte. Die Reaktion der Initianten war ein klares «Nein - keine Kompromisse!»

Ohne Dialog und Kompromissbereitschaft ist im Kanton der 150 Täler eine Abstimmung mit so vielen Unbekannten und Risiken nicht zu gewinnen. Warum bestand zum Beispiel der Eishockeyverband so kategorisch darauf, alle Spiele ausschliesslich in Davos durchzuführen? 30 Busminuten entfernt liegen Landquart und Chur, die gerne Olympia-Matches «live» erlebt - und der Kandidatur so wohl auch eher zugestimmt hätten. 30 bis 40 Minuten Transportzeit ist für Eishockeyspieler in jeder grösseren Stadt normal und auf der ausgebauten Prättigaustrasse problemlos ...

Schade für die verpatzte Chance! Graubünden hätte die Publizität der Kandidatur und Durchführung der Winterspiele 2022 touristisch gut gebrauchen können. Jetzt werden die entsprechende Millionen - falls sie überhaupt je fliessen - einer anderen Region zugute kommen.
Fazit: Viele Politiker und Sportfunktionäre haben offenbar ein Problem mit den Mechanismen von Markt und Demokratie. Welcher Unternehmer würde es heute wagen, ein neues Angebot auf den Markt zu bringen, ohne es vorher bei den Konsumenten sorgfältig auszutesten (Marktforschung!). Es muss diesen passen, nicht ihm - sonst kaufen sie es nicht. Und der «Konsument» einer Olympia-Abstimmung ist das Stimmvolk. Ihm muss das Konzept eines risikoreichen Mega-Anlasses passen, sonst stimmt er «Nein». Und dann ist das Projekt für alle gestorben, auch für Bern und das IOC.

Genau das ist auch das Problem des unsäglichen TAG-Projektes, das in den Teppichetagen der marktfremden Verwalter und Politiker in Chur ausgeheckt wurde und am Stimmvolk vorbeigemogelt werden sollte, obwohl dieses und all seine KMUs es später bezahlen hätten sollen. Das mag der Stimmbürger nicht und wird die Vorlage entsprechend klar ablehnen. Das Stimmvolk erwartet von Behörden und Technokraten ein Minimum an Respekt und Mitgestaltung. Es ist letztlich der Souverän und nicht eine lästige Manipuliermasse, die mit Medienkampagnen weichgeknetet wird und dann schon «Ja» stimmt, wenn man sie braucht.