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Mittwoch
19.09.2007

Die neue Deutschschweizer Gratiszeitung «.ch» ist in der Kommunikationsbranche am Mittwoch verhalten positiv aufgenommen worden. Chefredaktoren, Werber und Mediafachleute haben zwar am konkreten ersten Tabloidblatt einiges auszusetzen, glauben aber durchaus an die Zukunft des Produkts. «Die Werbewirtschaft wird wohl nicht noch einmal einen Gratistitel unterschätzen», betont beispielsweise Dominique von Matt von der Zürcher Werbeagentur Jung von Matt/Limmat. Und Jürg Siegrist vom Werbeauftraggeber-Verband versichert, «.ch» werde seinen Mitgliedern «gefallen, wenn sich die Zeitung als gutes Kommunikationsmittel für die Werbung erweist.» Da hat Reini Weber von der Zürcher Agentur Reinholds allerdings so seine Zweifel: «Auf meine Anfrage vom 18. Juni, ob wir für die erste .ch-Ausgabe die 4. Umschlagseite buchen können, habe ich bis heute noch keine Antwort.»

Vorerst aber geht es um die vorliegende erste Nummer, und die erhält keine guten Noten. Sie sei «enttäuscht», hält Riccarda Mecklenburg von der Mediaagentur M&M unumwunden fest, «der Aufmacher ist unwichtig und wirkt gekünstelt», die Bildqualität «lässt sehr zu wünschen übrig», und der Themenmix wirke «belanglos». Auch die Chefredaktoren Peter Hartmeier («Tages-Anzeiger»), Marco Boselli («20 Minuten») und Markus Eisenhut («Berner Zeitung») sezieren die Zeitung mit professioneller Akribie und ernüchterndem Resultat. Das Layout sei wie die laut «.ch» bevorstehende Wintermode «grau», das Blatt habe «erstaunlich viele langfristige, weiche Themen», und die einzige echte News-Story betreffend Murat Yakin sei «aufgebauscht», schreibt Marco Boselli. Die «Nachricht des Tages» sei «uninspiriert bearbeitet und aufgemacht worden», ergänzt Peter Hartmeier, und Markus Eisenhut bezeichnet es als «handwerklich schlicht ungenügend», wie das Thema Ylenia auf Seite 32 versteckt wurde. Nur Reini Weber hatte im Gegensatz zu «Heute» «das Gefühl, eine richtige Zeitung in den Fingern zu haben.»

Betreffend Chancen auf dem Leser- und Anzeigen-Markt haben die «.ch»-Macherinnen und -Macher zurückhaltende Sympathien auf ihrer Seite. Urs Schneider von der Mediaagentur Mediaschneider sieht wie andere Fachleute «Platz für eine zweite Gratiszeitung in der Deutschschweiz», betont aber, dass dafür der Vertrieb in die Wohnhäuser «matchentscheidend» (Urs Schneider) sein werde. «Ich bin noch nicht ganz davon überzeugt, dass dies funktionieren wird», ist etwa Peter Hofstetter von der Mediaxis-MPG AG skeptisch. Piero Schäfer vom Werbedachverband Schweizer Werbung sagt das selbe in anderen Worten: «Das Blatt muss einfach einen Weg zur Leserschaft finden.» Und Jürg Siegrist spricht von «einem steinigen, aber interessanten Weg.» Die Journalisten sind zu diesem Punkt deutlich kritischer: «Enorm schwierig und enorm teuer» (Eisenhut) und «ein grosses Risiko» (Hartmeier), lauten da die Bemerkungen.

Wie gehts weiter? «Es ist aufregend, dass sich in der einst totgesagten Print-Branche soviel tut», freut sich Marco Boselli auf die Herausforderung, wogegen es Dominique von Matt für «bemerkenswert» hält, «dass die ganze Medienbranche ihre Kraft in die Lancierung neuer Printprodukte steckt, während die Leser immer häufiger online sind.» Wenn noch vor Jahresende die angekündigten «News» auf den Markt kommen, werde es am Schluss «jenes Produkt schaffen, das bei Lesern und Werbern am besten ankommt», ist Piero Schäfer überzeugt. Jürg Siegrist «begrüsst jede Form von Wettbewerb», aber Urs Schneider hält sich zurück: «Prognosen sind eher schwierig.» - Siehe auch: Gratiszeitung «.ch» am Mittwoch erstmals erschienen, Auf der «.ch»-Schiene fahren die Österreicher ein