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Donnerstag
21.02.2013

An der Medienethiktagung in München kam der deutsche Presserat unter Beschuss. Dabei war unbestritten, dass es ihn braucht. Aber er müsse sich ändern. Für den Klein Report berichtet Roger Blum.

«Im Presserat sitzen ein paar steinalte Verleger und Printhaudegen», sagte der Münchner Onlinejournalist und Mediendozent Thomas Mrazek. Das Gremium komme mit der digitalen Revolution nicht zurecht. Es brauche mehr Dynamik. Es sollte auch für die Facebook-Auftritte der Zeitungen zuständig sein und es müsse seine Rolle besser erklären. Mrazek war nicht der einzige Kritiker.

Auch Matthias Rath, Professor an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, verlangte, dass die Rahmenbedingungen des Presserats angepasst werden. Das Selbstkontrollorgan, das im Übrigen von vielen als eine Art «Fremdkontrolle» empfunden werde, müsse sich der Onlinepublikationen annehmen. Man brauche keinen neuen speziellen digitalen Papiertiger.

Der Regensburger Onlinejournalist Stefan Aigner sagte, ihm erschliesse sich der Sinn des Presserates überhaupt nicht. Im Internet würden Fehler sofort durch das Publikum korrigiert. Und er fügte hinzu: Die «Mittelbayerische Zeitung», die traditionelle Lokalzeitung in Regensburg, müsste wegen ihrer Verstösse gegen den Pressekodex eigentlich täglich eine Rüge des Presserates erhalten, was natürlich nicht der Fall sei.

Auf dem Podium an der Münchner Medienethiktagung, das die Kölner Journalistikprofessorin Marlis Prinzing moderierte, stand zur Debatte, ob die Medienselbstregulierung Zukunft habe oder längst ein alter Hut sei. Die Teilnehmer waren sich einig, dass die Selbstkontrolle keineswegs antiquiert sei. Dem Presserat sei es gelungen, Anerkennung für den Pressekodex zu gewinnen, fand Rath. Auch Anton Sahlender, Leseranwalt der «Main-Post» in Würzburg, berichtete, dass der Presserat in der Leserschaft durchaus anerkannt sei. Es werde auch mit dem Presserat gedroht. Dies zeige, dass er über Prestige verfüge. Er sollte aber nur Beschwerden annehmen, die nicht vorher schon durch Ombudsleute behandelt worden sind, meinte Sahlender.

Damit kam die zweite Selbstkontrollinstitution zur Sprache, die in Deutschland immer mehr an Boden gewinnt: die der Ombudsleute. Während es in der Schweiz bereits zwölf Medienombudsstellen gibt, acht gesetzlich vorgeschriebene im Radio- und Fernsehbereich und vier freiwillige bei den Verlagen (Tamedia, Tamedia-Romandie, Nordwestschweiz-Medien, «Neue Luzerner Zeitung»), sind in Deutschland neun aktiv, in Österreich einer. Springer-Schweiz hat auf Ende 2012 ihren Ombudsmann Karl Lüönd verabschiedet. Es scheint, dass die Stelle nicht wieder besetzt werden soll. Die Ombudsleute sind näher am Publikum als der Presserat; sie können viele Beschwerden im Gespräch erledigen. Sie seien «Vertrauensleute», sagte Matthias Rath.

Auch Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des deutschen Presserates, wäre durchaus interessiert daran, dass mehr Medienhäuser in Deutschland Ombudsstellen einrichteten. Das würde den Presserat entlasten, der sich dann auf grundsätzliche medienethische Fragen konzentrieren könnte. Tillmans beharrte darauf, dass der Presserat relativ schnell entscheidet, bedeutend schneller als die Gerichte. Und er wies darauf hin, dass der Presserat die Pressefreiheit verteidige, sich also wehre, wenn beispielsweise irgendwo die Recherche behindert werde. Tillmans gestand aber ein, dass der Presserat ein Strukturproblem habe. Über Reformen müssten indes die Träger des Presserates entscheiden, also die Verbände der Verleger und der Journalisten.

Anton Sahlender betonte, dass Wächter der Pressefreiheit von grosser Wichtigkeit sind: «Viele Leute sind sich der Bedeutung der Pressefreiheit nicht mehr bewusst.» Deshalb würden sie diese ohne Weiteres preisgeben.