Am 6. Oktober wird in Frankfurt die kommerziell wichtigste Auszeichnung der deutschsprachigen Literatur verliehen: der Deutsche Buchpreis. Am Mittwoch wurde die Longlist veröffentlicht und sorgte vielerorts gleich für grossen Unmut.
So bezeichnet Richard Kämmerlings, leitender Feuilleton-Redaktor bei der «Welt», die Longlist als schlechten Witz: Es würden zwar bekannte Namen wie Streeruwitz, Hettche oder Köhlmeier draufstehen. Noch viel mehr aber würden vermisst. Skandalös sei das Fehlen jüngerer Frauen, so Kämmerlings weiter.
Es seien einige Bücher dabei, über die man in diesem Herbst sprechen muss: Thomas Hettches Ausflug in die preussische Geschichte, «Pfaueninsel», Lutz Seilers erster Roman «Kruso». Neues von Michael Köhlmeier und Thomas Melle, auf das man gespannt sein darf.
Um einiges länger ist die Liste der grossen Namen, die hier fehlen: allen voran Michael Kleeberg, dessen Roman «Vatertage», die Fortsetzung der Geschichte seines «Karlmann», nächste Woche erscheint. Bodo Kirchhoff, der die grossen Themen seines Werks in «Verlangen und Melancholie» zusammenführt.
Judith Hermann mit ihrer hintergründigen Stalker-Geschichte. Kristof Magnussons leichthändiger «Arztroman». Robert Seethalers schon jetzt überall gefeiertes «Ein ganzes Leben».
Stattdessen jede Menge - vermeintlich - übersehener Titel des Frühjahrs: von Gertrud Leutenegger über Christoph Poschenrieder bis Michael Ziegelwagner. Im Einzelnen mag es dafür gute Gründe geben. So sei es sicher richtig, dass «Koala», Lukas Bärfuss` berührender Roman über den Selbstmord seines Bruders, noch einmal eine größere Bühne bekommt. Oder dass der Droschl-Autor Antonio Fian mehr Beachtung findet.
Aber in der Summe ergebe sich ein fataler Eindruck von Besserwisserei, so Kämmerlings weiter, als wollte die Jury der gesamten Kritikerzunft die lange Nase zeigen. Zwar ist Saša Stanišić dabei, der verdiente Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse. Nicht aber die in diesem Frühjahr ebenfalls hochgelobten und viel diskutierten Romane von Martin Mosebach, Martin Kordić, Per Leo oder der Klagenfurt-Gewinnerin Katja Petrowskaja.
Überhaupt fehlen, und da werde es wirklich skandalös, die Frauen. Die jüngste Autorin auf der Liste ist Ulrike Draesner, geboren 1962. Ausser ihr sind nur noch vier weitere Frauen dabei: Angelika Klüssendorf, Esther Kinsky, Gertrud Leutenegger und eben Marlene Streeruwitz.
Dass es inzwischen eine Reihe bedeutender Autorinnen nicht nur unter 50, sondern sogar unter 40 oder gar 30 gibt, scheine der Jury vollkommen entgangen zu sein: Keiner der wichtigen Debütromane junger Frauen ist vertreten, weder Verena Güntners «Es bringen» noch Julia Trompeters herrlich verspielte «Mittlerin».
Auch nicht dabei sind Olga Grjasnowa, Larissa Boehning, Lucy Fricke, Kerstin Preiwuss oder Nino Haratischwili. So biete diese Longlist leider nur ein Zerrbild dieses Bücherjahres. Zum Glück für die Leser ist es in Wirklichkeit bunter, unterhaltsamer, weiblicher - und besser.