Content:

Donnerstag
28.04.2011

Die Jungfreisinnigen der Schweiz fordern die Privatisierung der SRG, wie der Klein Report berichtete. Eine dezidiert andere Ansicht vertritt Roger Blum. Nachfolgend ein Kommentar des Publizisten und emeritierten Professors für Medienwissenschaft.

Es ist das Recht von Jungparteien, unorthodoxe Ideen zu haben. Man erwartet von ihnen geradezu, dass sie wider den Stachel löcken und vieles, was als landesüblich gilt, infrage stellen. So ist es nicht überraschend, dass die Jungfreisinnigen fordern, die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) sei zu privatisieren. Was bedeuten würde, dass die SRG keine Gebühren und keine Richtlinien des Staates mehr erhält, sondern sich frei im Markt behaupten müsste. 

Keine Frage: Die SRG darf, ja muss immer wieder Gegenstand politischer Diskussion sein. Sie ist eine öffentliche Institution. Deshalb kann und soll erörtert werden, ob die Gebühren berechtigt sind, welche Leistungen die SRG erbringen soll, ob sie auch Werbung ausstrahlen und im Internet aktiv sein darf. Aber die Privatisierung der SRG wäre nicht nur ein ökonomischer Fehler, sie wäre auch ein Verrat an freisinnigen Idealen.

Freisinn bedeutete im 19. Jahrhundert «freiheitlich, fortschrittlich, vaterländisch», und das müsste, übersetzt in moderne Begriffe, heute noch gelten. Das freiheitliche Prinzip verlangt nach möglichst wenig Staat, nach Deregulierung und Privatisierung. Das vaterländische Prinzip aber fordert, gesamtschweizerische Interessen zu berücksichtigen, damit sich die Schweiz gegen aussen behaupten und den Zusammenhalt im Innern gewährleisten kann. Exakt diesen Zielen dienen die Radio- und Fernsehgebühren und die starke SRG: Nur eine gebührenfinanzierte SRG kann sich gegen aussen behaupten und in der Konkurrenz gegenüber ARD und RTL, TF1 und RAI bestehen. Und nur eine gebührenfinanzierte SRG kann sicherstellen, dass es auch qualitativ hochstehende Programme für die französisch- und italienischsprachige Schweiz gibt und dass so der Zusammenhalt des viersprachigen Landes gefördert wird. Die Freisinnigen haben dem nationalen Zusammenhalt und dem Ausgleich zwischen verschiedenen Ansprüchen in der Gesellschaft immer viel Gewicht beigemessen, und deshalb waren sie an vorderster Front dabei, als die SBB, die SRG oder die AHV geschaffen wurden.

Es wäre fatal - und es käme einem Verrat gleich -, wenn sich die Jungfreisinnigen von diesen Idealen trennen würden. Dann stünden sie nicht mehr in der Tradition der FDP, sondern in jener der Freiheits- oder Autopartei.