Professor Louis Bosshart, der «Unterhaltungspapst» der Schweizer Kommunikationswissenschaft, hat sich an der Universität Freiburg verabschiedet. Eine grosse Zuhörerschaft bereitete ihm für sein 31jähriges Wirken eine mehrminütige stehende Ovation. Für den Klein Report berichtet Roger Blum.
Die Abschiedsvorlesung von Louis Bosshart war umrahmt von einer perfekt choreografierten Feier. Alles stimmte: Die Moderation, die kurzen Musikstücke mit Klavier und Querflöte, die Reden mit eingeblendeten Filmausschnitten, die Enthüllung und Präsentation der Festschrift «Man kann nicht nicht unterhalten. Beiträge zur Unterhaltungspublizistik», herausgegeben von Ursula Ganz-Blättler und Diana Ingenhoff, erschienen im LIT-Verlag Berlin.
Ein Höhepunkt war die Tanzeinlage von Bossharts Kollegin Diana Ingenhoff und seinem ehemaligen Studenten Jordan Cibura: Parallel zur auf der Leinwand gezeigten berühmten Tangoszene aus dem Filmklassiker «Der Duft der Frauen» («Scent of a Woman») mit Al Pacino in der Rolle des erblindeten Frank Slade tanzten die beiden einen perfekten Tango auf der Bühne der Aula Magna.
Diese Art des Entertainment war ganz nach dem Geschmack des 69-jährigen Louis Bosshart, der sich in Lehre und Forschung schwergewichtig mit der Unterhaltung in den Medien befasst hatte. Die Medienprofessorin Ursula Ganz-Blättler betonte in ihrer Würdigung des Scheidenden, dass es Mut gebraucht habe, das Thema Unterhaltung an die Universität zu bringen. Der Professor, den sie einen Romantiker und ausgezeichneten Vermittler nannte, habe die Pflege des Populären nicht gescheut, weil er überzeugt war, dass Medienunterhaltung einen wesentlichen Beitrag leiste zur symbolischen Verständigung der Gesellschaft über sich selbst.
Die ehemalige Studentin Fiona Flannery, heute Public Relations Director von Fiat Schweiz, lobte Bossharts gute Balance zwischen fachlichen und menschlichen Kompetenzen. Professorin Diana Ingenhoff als Vorsteherin des Departements für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Freiburg strich Bossharts Fähigkeit heraus, als zurückhaltender, geschickter Motivator Türen zu öffnen.
Louis Bosshart selber brachte nochmals auf den Punkt, wie er Unterhaltung durch Medien theoretisch fasst. Unterhaltung sei kein reines Rezeptionsvergnügen. Es steckten Mythen, Märchen und Archetypen drin. Die Unterhaltung simuliere die Wirklichkeit und leiste so einen Beitrag zum Alltag des Publikums. Es gehe immer wieder um Sport, Sex und Humor. Die Themen seien stabil, aber die Erzählweise variiere.
Die etwa 300 Anwesenden, die der Abschiedsvorlesung lauschten, waren mehrheitlich ehemalige und aktive Studierende. Über 700 von ihnen haben sich inzwischen auf Facebook unter dem Stichwort «Louistown» vernetzt, wie Dozent Daniel Beck erläuterte. Louis Bosshart war bei den Studierenden beliebt, weil er nicht bloss dozierte, sondern ein offenes Ohr für ihre Anliegen hatte und sich auch für ihr berufliches Weiterkommen einsetzte. Der nicht enden wollende Beifall in der Aula Magna war der hörbare Dank dafür.
Als Louis Bosshart vor 31 Jahren seinen Lehrstuhl übernahm, war er der einzige Professor des Fachs an der Universität Freiburg. Heute zählt das Fach sechs Professuren. Dieser Ausbau ist nicht zuletzt Bossharts Beharrlichkeit zu verdanken. Vor allem im letzten Jahrzehnt erhielt das Fach die Ressourcen, die seinem Stellenwert entsprechen. Das war jahrzehntelang nicht so.
Denn schon 1926, 23 Jahre nach den Anfängen an den Universitäten Zürich und Bern, gab es an der Universität Freiburg erste Lehrveranstaltungen zur Journalistik. Aber erst 1942 wurde dort das Fach «Zeitungskunde und Publizistik» etabliert, erst 1966 wurde daraus das Institut für Journalistik und Kommunikationswissenschaft, allerdings auch da noch ohne Kommunikationswissenschaftler: Erster Direktor wurde der Ökonom Florian Fleck, für die praktische Ausbildung waren Journalisten zuständig.
Erst Ende 1981, mit der Berufung von Louis Bosshart, kam ein Wissenschaftler an die Spitze des Instituts, der Kommunikationswissenschaft studiert, sich im Fach über die «Dynamik der Fernseh-Unterhaltung» habilitiert und zudem auch als Journalist gearbeitet hatte. Er war der erste und noch lange der einzige Ordinarius für Kommunikations- und Medienwissenschaft in der Schweiz, der im Fach selber gross geworden war. Fast logisch, dass er bald die Schweizerische Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft präsidierte (1984-1993). 1992 brachte er die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) nach Freiburg, natürlich zum Thema «Medienlust und Mediennutz - Unterhaltung als öffentliche Kommunikation».
Bosshart beschränkte seine Aktivitäten nicht auf die Universität und auf das Fach. Als Journalist arbeitete er für verschiedene Regionalzeitungen. Ende der siebziger Jahre gehörte er zur Recherchiergruppe der von Hans W. Kopp geführten Kommission für eine Mediengesamtkonzeption.
1984 leitete er die Hauptpressestelle in Freiburg beim Besuch von Papst Johannes Paul II. und betreute rund tausend Journalisten. Kurze Zeit war er Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen sowie der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI). Rund 20 Jahre stand er an der Spitze der deutschsprachigen Jury für den Lokaljournalismus-Preis der Espace Media. Ebenso präsidierte er die Jury für den Bedag-Informatikjournalismus-Preis und für den FMH-Medienpreis für Gesundheitsjournalismus.
Als Forscher befasste sich Louis Bosshart neben dem Thema Unterhaltung auch mit dem Berufsfeld Journalismus, der Rolle von Frauen in den Medien, mit Fragen der Telekommunikation, mit lokalem Rundfunk, mit journalistischer Ethik und mit Wahlkommunikation. Als Lehrer nahm er an verschiedenen Universitäten Gastprofessuren wahr, seit 1993 immer wieder an der Stanford University in den USA, wo er auch diesen Sommer wieder lehren wird.