Das Anfang November startende Regionalisierungskonzept des Zürcher «Tages-Anzeigers» mit vier neuen täglichen Splitausgaben stand im Mittelpunkt eines Podiumsgesprächs am Jahreskongress des Verbandes Schweizer Presse vom Freitag in St. Moritz. Dabei kanzelte der Brienzer Verleger Urs Gossweiler («Jungfrau-Zeitung») das Konzept gnadenlos ab: «Der `Tages-Anzeiger` hat keine Ahnung von lokaler Publizistik und wird mit den Regionalsplits grausam auf die Schnauze fallen», polterte er. Etwas eleganter, inhaltlich aber ähnlich, formulierte dies Chefredaktor Peter Rothenbühler von «Le Matin»: Er sei skeptisch, da die Gefahr bestehe, dass die Bewohner der Regionen in publizistische Gettos gedrängt würden. «So nimmt man die Leser nicht ernst», sagte er. Als künftiger Sieger des beginnenden Kampfes um Leser und Werbebudgets sah sich deshalb Benjamin Geiger, Chefredaktor der «Zürichsee-Zeitung». Die bereits seit anderthalb Jahren dem «Tages-Anzeiger» beiliegende Splitausgabe für das linke Zürichseeufer habe jedenfalls bei seinem Blatt zu keinen spürbaren Veränderungen bei Leserschaft und Werbung geführt. «Wir brauchen keine Angst zu haben», ergänzte er deshalb.
Anderseits vertrat TA-Chefredaktor Peter Hartmeier den Vorstoss an das rechte Seeufer, ins Ober- und ins Unterland sowie auf das Gebiet der Stadt Zürich mit Vehemenz. Geplant sei eine Kompletierung des gut gemachten «Tages-Anzeigers» durch regionale und lokale Informationen und keine Kopie anderer Zeitungen und Kooperationsmodelle. Für die Regionalsplits verfüge er über gute Leute, versprach er weiter, was ZSZ-Chef Geiger zur maliziösen Bemerkung veranlasste, er habe sie ja auch den bestehenden Regionalzeitungen abgeworben. Gegen das Argument von Peter Rothenbühler, was aus Zürich komme, wirke auf dem Land arrogant, wehrte sich Hartmeier mit dem Versprechen, nicht arrogant auftreten und die Herzen der Leserschaft gewinnen zu wollen. Es war dann Urs Gossweiler, der mit einem Einwand die Diskussion wieder auf den Boden der Realität holte: «Entscheiden werden die Grossverteiler, je nachdem, wo sie ihre Inserate vergeben.» Jedenfalls begebe sich der «Tages-Anzeiger» auf ein gefährliches Pflaster, wenn er amtliche Anzeigen aus den Gemeinden akquiriere und gleichzeitig unabhängig über diese Gemeinden berichten wolle. «Ihr müsst einen Schmusekurs fahren, und das ist genau das Gegenteil von gutem Journalismus», unterstrich der finanziell erfolgreiche Verleger unter dem Hinweis darauf, dass er keine amtlichen Anzeigen aus seinem Verbreitungsgebiet annehme. - Mehr zum Verlegerkongress: Swisscom will den Verlegern das Leben schwer machen und Roger und Roger zurück auf dem Weg in die Schweiz
Samstag
16.09.2006