«Schon lange gab es nicht mehr so viele viel versprechenden Schweizer Neuerscheinungen wie diesen Herbst», schreibt der Schweizer Feuilletondienst (SFD) in einer Übersicht vom Mittwoch. Débuts seien zwar rar, dafür bringen einige bekannte Autoren Bücher heraus, die besonders lange reifen durften. So enthält «Es war einmal die Welt» des Zürchers Hugo Loetscher zum allerersten Mal Lyrik - nach Dutzenden von Prosa- und Essaybänden. Darunter auch Gedichte aus seiner schriftstellerischen «Frühzeit» in den 60er Jahren. Nicht ganz so lang, aber immerhin sechs Jahre lang feilte der Berner Lyrik-Altmeisters Kurt Marti an «Zoé Zebra», laut SFD «eine Sammlung von zum Teil ganz zauberhaften Gedichten über Jahreszeiten, Landschaften, Liebe, Tod und Gott».
Der Schaffhauser Erzähler Markus Werner legt fünf Jahre nach seinem Bestseller «Der ägyptische Heinrich» seinen siebten Roman «Am Hang» vor. Darin erzählen sich zwei scheinbar völlig unterschiedliche Männer - der eine promiskuitiv, der andere tief treu - ihre Liebesgeschichten und entdecken eine überraschende Gemeinsamkeit. Doppelt so lange wie üblich - vier Jahre - musste man auf Eveline Haslers neue historische Romanbiografie «Tells Tochter» warten. Gegenstand ist wie oft bei Hasler eine mutige, aufgeklärte, aber gefährdete Frau: Die Berner femme de lettres Julie Bondeli (1731-1778). Regelrecht aus der Versenkung taucht Nicole Müller auf, die 1992 mit ihrem Erstling «Denn das ist das Schreckliche an der Liebe» Furore machte. Neun Jahre nach dem zweiten Buch der nebenamtlichen Kaufhaus-Werbetexterin erscheint «Kaufen. Ein Warenhausroman».
Silvio Blatter, schon fast ein moderner Klassiker der Schweizer Literatur, war vor seinem letzten Buch «Die Glückszahl» (2001) ebenfalls neun Jahre von der Bildfläche verschwunden. Nun präsentiert er «Zwölf Sekunden Stille», einen Roman über einen frühzeitig pensionierten Kulturjournalisten. Das Schweizer Début der Saison wurde bereits am Bachmann-Wettbewerb vorgestellt: «Im Schaufenster im Frühling» der in der serbischen Vojvodina geborenen Zürcher Autorin und Musikerin Melinda Nadj Abonji. Ihr «angelerntes» Deutsch hat einen unprätentiösen, poetischen Ton, der nicht zufällig an den der gebürtigen Rumänin Aglaja Veteranyi gemahnt. Zwei Jahre nach deren Tod erscheint auch von ihr noch einmal ein Buch: «Vom geräumten Meer, den gemieteten Socken und Frau Butter» haben die Herausgeber laut eigenen Angaben fertig konzipiert in ihrem Computer gefunden.
Auch in der Sparte Kriminalroman kommt Lohnendes heraus. Der vielfach ausgezeichnete Aargauer Hansjörg Schneider etwa präsentiert mit «Hunkeler macht Sachen» seinen fünften Krimi um den melancholischen Basler Kommissär. Diesmal geht es nur scheinbar um Rache an Schmugglern und Prostituierten, in Wirklichkeit aber um eine alte Schweizer Kollektivschuld. Der Zürcher Peter Zeindler, bekannt für genaue Recherchen und brisanten Themen, liess sich für seinen neuen Roman «Toter Strand» von der Tankerkatastrophe vor der Küste Galiziens inspirieren. Er geht von der Fiktionsthese aus, dass das Schiff absichtlich gerammt worden sei, weil eine Grossmacht ein Feindbild schaffen und Verbündete für einen Krieg gewinnen wollte.
Mittwoch
07.07.2004