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Dienstag
26.05.2009

Über 200 Medienschaffende und Sympathisanten sowie die Gewerkschaft Comedia und der Arbeitnehmerverband Impressum versammelten sich am Dienstagnachmittag auf dem schmalen Streifen zwischen dem Tamedia-Gebäude und der stark befahrenen Werdstrasse. Die Personalkommission des «Tages-Anzeigers» hatte zu einer Kundgebung aufgerufen, weil die Tamedia bei den Zeitungen «Tages-Anzeiger» und «Bund» knapp 80 Stellen streichen will.

«Über uns allen hängt das Damoklesschwert», sagte ein Journalist, dem die Verunsicherung ins Gesicht geschrieben stand. Zwischen Mittwoch und Freitag seien alle Redaktorinnen und Redaktoren zu einem Gespräch eingeladen, bei dem sie erfahren, ob sie gehen müssen oder bleiben dürfen. «Es gibt Listen mit den Leuten, die entlassen werden. Aber wir kennen sie nicht. Welche Chancen ich mir ausrechne? Ich habe wirklich keine Ahnung», sagte der Redaktor gegenüber dem Klein Report.

Das gesetzliche Konsultationsverfahren sei erst am Dienstagnachmittag zu Ende gegangen, betonte dazu Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer gegenüber dem Klein Report, «wenn wir die betroffenen Personen vorher informiert hätten, wäre dies missbräuchlich gewesen». Die Vorschläge der Redaktion würden jetzt geprüft, beispielsweise ob Pensenreduktionen möglich seien oder andere Anregungen. «Anschliessend wird entschieden, wie es weitergeht», sagte er abschliessend.

«Eigentlich müssten wir eine Schweigeminute einlegen», rief Daniel Suter von der Personalkommission des «Tages-Anzeigers» ins Megafon. «Denn wir wissen zu wenig. Von 73 Fragen hat uns die Geschäftsleitung gerade mal 9 beantwortet.» Aufs Rednerpodest standen auch der langjährige «Tages-Anzeiger»-Journalist Jean-Martin Büttner und Stefanie Vonarburg von der Gewerkschaft Comedia. Sie kritisierten die ungenügende Kommunikation des Verlags sowie den Stellenabbau trotz schwarzen Zahlen im Jahr 2008. Auf einem Flugblatt, das verteilt wurde, fordert die Redaktion vom Verwaltungsrat und von der Geschäftsleitung eine zweijährige Übergangsfrist für einen langsamen Stellenabbau, weniger Abbau durch freiwillige Pensumreduktionen sowie das Prüfen von Kurzarbeit. Plakate wurden gezeigt mit Slogans wie «Enthüllt: Der `Tagi` wird zu Tode gespart».

Mit einem symbolischen Akt beschrieben die Demonstranten schliesslich den publizistischen Verlust, den sie befürchten: Sie rissen von einem mitgebrachten Zeitungsbund einen Viertel des Papiers weg und hielten den Rest in die Höhe. Ein Viertel der «Tages-Anzeiger»-Redaktion ist vom Stellenabbau betroffen.

Auch die «Bund»-Redaktion in Bern protestierte am Dienstag gegen den Stellenabbau. In einem symbolischen Aufmarsch übergaben die Redaktorinnen und Redaktoren ihrer Geschäftsleitung Vorschläge zur Vermeidung oder Verminderung des angekündigten Abbaus von 19 Vollzeitstellen. Unter anderem wollen sie den Kündigungen mit freiwilligen Pensumreduktionen begegnen. Laut den Gewerkschaften Comedia und Impressum liegen Angebote zur Pensumreduktion im Umfang von zwei Vollzeitstellen vor. Am 14. Mai gab der Zürcher Medienkonzern seine Abbaupläne bekannt: Tamedia streicht 80 Stellen und «Der Bund» muss 19 Vollzeitstellen abbauen