Nur gerade «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel tippte ein spontanes «Super»-SMS in sein Handy, nachdem er von der Wahl von Ingrid Deltenre als neue TV-Direktorin durch den Klein Report erfahren hatte. Alle übrigen Fachleute der Schweiz brachten mehr oder weniger harte Kritik am Wahlverfahren an, nicht aber an der Person. Sogar die als zurückhaltend mit Kommentaren bekannte Schweizerische Depeschenagentur sda schrieb am Mittwoch, «die Kritik am Wahlverfahren für die neue TV-Direktorin erstaunt nicht», da es bei der Wahl ihres Vorgängers Peter Schellenberg vor 15 Jahren «noch deutlich basisdemokratischer» zugegangen sei. Das Verfahren sei für eine Institution, die «service public» auf die Fahnen geschrieben habe, «schlicht inakzeptabel», sagte beispielsweise DRS-Konkurrent Markus Gilli, Chefredaktor von «Tele Züri», am Mittwoch zum Klein Report. Und der Zürcher Headhunter Björn Johansson brachte die Kritik mit den Worten «Gute Wahl, unprofessioneller Prozess» auf den Punkt. Das Verfahren hinterlasse einen schalen Beigeschmack, der an der neuen Amtsträgerin haften bleiben werde. Der Präsident des Regionalrats, der Baselbieter FDP-Ständerat Hans Fünfschillig, räumte vor den Medien ein, die Wahl habe sich am Mittwoch verzögert, weil über die Rolle des Regionalrates bei solchen Wahlen diskutiert worden sei. Das Gremium sei zur Erkenntnis gelangt, dass neue Strukturen nötig seien.
PR-Berater Klaus J. Stöhlker freut sich auf die neue Leutschenbach-Chefin: «Sie ist eine geschickte Frau», fasste er seine Meinung gegenüber dem Klein Report zusammen. Jetzt gehe es darum, ob es ihr gelinge, zusammen mit Programmleiter Adrian Marthaler ein Team zu bilden und dem Schweizer Fernsehen neue Impulse zu geben. «Ihre grosse Aufgabe ist es, das Schweizer Fernsehen staatsunabhängiger zu positionieren», forderte er. Diese Kraft muten ihr alle zu: Sie sei «jung, frisch und dynamisch», sagte beispielsweise Johansson. Einen Kritikpunkt bringt allerdings «Tele-Züri»-Chefredaktor Gilli an: «Sie hat es abgelehnt, in die heutige Talk-täglich-Sendung zu kommen mit der Begründung, sie wolle erst Leistung erbringen und dann darüber reden», bemängelte er. «Sogar Frau Calmy-Rey stand für die Sendung zur Verfügung, nachdem sie in den Bundesrat gewählt worden war», zog er einen Vergleich. Ingrid Deltenre gab dafür am Mittwochabend um 20.50 Uhr in der Rundschau von SF DRS - hausintern sozusagen - ihr erstes TV-Interview. Mehr dazu: SF DRS: Ingrid Deltenre erwartungsgemäss gewählt
Mittwoch
22.01.2003